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HEIDELBERG: PELLEAS UND MELISANDE. Premiere

22.11.2014 | Oper

Heidelberg: Pelleas und Melisande am 22.11.2014

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Annika  Ritlewski (Melisande), Wilfried Staber (Arkel), (c) Annemone Taake

 Das Theater Heidelberg hat ‚Pelleas und Melisande‘ von Claude Debussy als schon dritte Saison-Premiere herausgebracht. Natürlich hat sich Noch-GMD Yordan Kamdzhalov dieses Ausnahmewerks des Impressionismus‘ angenommen, und es gelingt ihm in seiner eigenen Art, es auszugestalten. Er bringt das Verträumte, teils abgerissene, das die Musik besonders in ihren Gesangsteilen transportiert, mit ganz ruhigen Händen zum Fließen, vergißt aber auch nicht, die Pausen des Zweifelns und vielleicht Verdrängens, die einen ruhigen Musikfluß immer auch mal unterbrechen, prägnant ostentativ zu setzen. In den Orchester-Zwischenspielen in denen zum Teil vorangegangene Motivik aufgenommen und bearbeitet wird, gelingen sinnfällige Steigerungen, manchmal rasche Zuspitzungen, oft auch abruptes In-sich-Zusammenfallen der suggestiven Klanggestalten. All diese dirigentischen Vorgaben und Animationen werden von den Philharmonikern geistesgegenwärtig aufgenommen und in schön impressionistisches Spiel und guten ‚Breitbandsound‘ umgesetzt. Es gelingt so fast über drei Stunden die Spannung zu halten bei einem Werk, das eigentlich keine Melodien oder markanten Motive aufweist. Andererseits ist es weit mehr als ein Klanggemälde, sondern transportiert eben äußerst viel Bewegung, und dabei hängen sich die Musiker auch rein, als ginge es um ihr Leben.

 Die Inszenierung  von ‚Pelleas‘ kommt dabei nur schwer mit. Das Einheitsbühnenbild, eine räumlich etwas verschachtelter in Graubeton belassene Wohneinheit mit mechanischem Abtrennvorhang von Ralf Käselau kann nur in den vielfältigen Lichtstimmungen, die von den Protagonisten selbst betätigt werden, annähernd den vielfältigen Szenen gerecht werden. Lorenzo Fioronis Inszenierung wirkt zu Beginn wie in einem Asylantenheim, wo die unterschiedklichsten Typen, die sich nach und nach als Mitglieder einer Großfamilie herausstellen, zusammengepfercht erscheinen. Fioroni scheint es aber doch nicht so sehr um einen sozialen Aspekt zu gehen, eher um einen gewissen Transgender-Effekt in den Beziehungen der Familienangehörigen. Immer wieder flattern männliche und weibliche Balletteusen in Tutus herein, zu denen sich auch die die Mutter Geneviève gesellt. Auch die armen Kriegshungernden, die von Pelleas und Melisande beobachtet werden, scheinen in diese Kategorie zu fallen. Melisande tanzt bei der Aufnahme als Familienmitglied der auf dem Sofa fläzenden Familie als weißer Schwan vor, ein Vogel, der auch weiterhin symbolische Bedeutung trägt. Durch diese Initiation ist Melisande sozusagen als Lustobjekt für die männlichen Familienmitglieder freigegeben. Aber auch Golaud ‚verwandelt‘ sich in einen weiblichen Schwanenkönig und tauscht die feminine Rolle mit Pelleas, der vorher eher weiblich weich gezeichnet war und jetzt Königsinsignien erhält. Von großer Absurdität scheint die Szene mit dem kleinen Yniold, der in Lichtbildern an die Wand projiziert erhält, was er über Pelleas und Melisande ausspionieren soll. Golaud wird Melisande gegenüber immer sexuell gewalttätiger, und am Ende ist sie von Kopf bis Fuß in Mullbinden eingewickelt, was äußerst verstörend wirkt. Die sehr phantasievollen, teils Asylanten-gemäßen Kostüme dazu sind von Annette Braun erdacht, die Choreographien steuerte Pascale-Sabíne Chevroton bei,

 David Otto gibt in markanten dunklen Phrasen fast als Sprechgesang den im 5.Akt auftretenden Arzt. Den Yniold singt mit kleiner aber phrasengerechter Mädchenstimme Stella Rembalski, hält aber wie ein kleiner Jemmy/Tells Sohn die Spannung aufrecht. Die Geneviève wird von Carolyn Frank mit diesmal eher verhaltenem Mezzo gesungen. Den Arkel gibt mit langen weißen Haaren, tatterig aber technikversiert, mit angenehm voluminösem Baß Wilfried Staber. Golaud ist Ipca Ramanovic und verkörpert den jähzornig eifersüchtigen Ehemann grandios baritonal berückend und wie die souveräne Mutter aller Schwanenköniginnen. Der Pelleas Angus Wood ist ebenso fast impressionistisch wohltimbriert, kann seinen Tenor aber auch direkt ins heldenhaft Heroische führen, wofür er von Melisande sicher mehr als für seine teilweise 18.-Jahrhundert-Gewandung mit Strumpfhosen geliebt wird. Diese ist in der Gestalt von Annika Sophie Ritlewski trotz ihrer Größe eine wahre Elfe und geht hier ihren erschütternden Leidenweg. Dabei steht ihr ein prickelnd schöner Sopran zur Verfügung, den sie in den meist kurzen Phrasen, die sie zu singen hat, gekonnt einsetzt.                                                                                       

Friedeon Rosén

 

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