Heidelberg/Neue Aula: „GÜNTHER GROISSBÖCK – ALEXANDRA GOLOUBITSKAIA“
Liederabend 22.04.2022
Günther Groissböck. Foto: Gerhard Ringhofer
Im Rahmen des Heidelberger Frühlings 2022 gab es eine illustre Reihe von Instrumental-Konzerten und Liederabenden so nun auch heute war Thomas Hampson angesagt, jedoch musste der Sänger wegen seiner Corona-Spätfolgen canceln und Günther Groissböck wurde für den Abend gewonnen, begleitet von der großartigenen Pianistin Alexandra Goloubitskaia. In quasi letzter Minute wurde mir die Umbesetzung bekannt und besorgte privat die Karten. Den Bassisten Günter Groissböck im Vorfeld zu rühmen, hieße Eulen nach Athen tragen, gehört der exemplarische Sänger längst zur Weltelite seines Fachs und gastierte in allen internationalen Opernhäusern wie Konzertsälen. Mir war bisher das große Glück beschieden Groissböck in der Oper sowie bei diversen Recitals erleben zu dürfen und konnte dazu heute lediglich erneut zitieren: Glück das mir verblieb.
Der smarte Sänger gestaltete sein höchst anspruchsvolles Programm mit Preziosen aus der Feder von sechs Komponisten, eröffnete das Recital mit vier expansiven Liedern von Robert Schumann. Günther Groissböck verlieh den Seidl-Heine-Texten Blondels Lied sowie insbesondere Belsazar mit seinem modulationsreichen, kernigen, dunkel gefärbten Organ in philosophisch-verinnerlichter Form eloquente Ausdrucksskalen, teils resignierend, fand jedoch spezifisch immer wieder zu neuen gestalterischen Varianten.
Zum Niederknien, traumhaft intoniert, mit sparsamer Gestikulation verstand es der meisterhafte Erzähler die Gefühlswelten von Der Sänger – Geistesgruß – Wanderers Nachtlied zu unterstreichen. In völligem Einklang des artikulierten, bei jedem Wort verständlichen Textes kombinierte der intelligente Sänger bravourös die Melodien von Hans Rott.
Dieselben gewaltigen Eindrücke hinterließ Groissböck mit exzellent sensibel geführtem Bass bei den sehr selten gehörten Liedern Im April – Herbstkummer – Mein Herz und deine Stimme von Anton Bruckner. Konträr in nuancierter Linienführung seiner mächtigen flexiblen Stimme schenkte der darstellende Virtuose den drei Michelangelo-Gedichten Wohl denk´ ich oft – Alles endet, was entstehet – Fühlt meine Seele geradezu greifbares schmerzliches Sentiment auf faszinierende Weise. Mit überfließenden Augen ging man in die Pause.
Wie schon zuvor ward dem grandiosen Sänger eine kongenial-subtile Klavierpartnerin beschieden. Alexandra Goloubitskaia die moldawische exzellente Pianistin zu erleben bedeutet immer etwas ganz Besonderes. An ihren unglaublich vortrefflichen „orchestralen“ Untermalungen von „Tristan und Isolde“ in Wiesbaden durfte ich mich wie anderorts nachhaltig erfreuen. Samtig tönend, technisch virtuos, sensibel musikalisch begleitend verstand es die renommierte Pianistin in glanzvoller Instrumental-Entfaltung die Singstimme stilsicher in pianistischen Finessen zu untermalen, den Intermezzi und Lied-Finalen unglaubliche intensive Sonaten-Nachklänge zu schenken. Ein besonderes Erlebnis war für mich die kurze Pausen-Begegnung mit der charmanten, sympathischen, sehr bescheidenen Künstlerin.
In Originalsprache, vokal in prächtigen Bass-Couleurs, darstellerisch dramatisch, melancholisch, emotional gestaltete Günther Groissböck gleich eindrucksvoller Boris Godunow-Monologe die „Lieder und Tänze des Todes“ von Modest Mussorgsky. Ob nun fein nuanciert, prächtig auftrumpfend, in beispielloser Konsequenz den textlichen wie melodischen Gehalt der Komposition reflektierend, der vielseitige Sänger verlieh den vier Episoden u.a. Trepak – Polkowodez eine unglaublich formale expressiv-intensive Gestaltung. So langsam erwachte das unaufhörlich mit dem Programm raschelnde Publikum aus seiner Lethargie und wurde sich dem Gebot der Stunde bewusst.
Fünf auserwählte „Lieder aus des Knaben Wunderhorn“ krönten das exzellente Abend-Recital auf vorbildliche höchst beindruckende Weise. Ob nun in traurig-dramatischem Aplomb Der Schildwache Nachtlied, dem rhythmischen Revelge, der heroischen Gedanken zu Der Tamboursg´sell – Zu Straßburg auf der Schanz oder dem betörend vorgetragenen Urlicht, auf unvergleichliche Art verstand es Groissböck die einzelnen Charaktere, sei es zu sich steigernden Kontrasten oder verbindlichen Übergängen mit seiner prächtigen Vokalise detailliert zu profilieren. Zuweilen dachte ich so bei mir s´ist ein Traum kann nicht wirklich sein!
Das begeisterte Publikum quittierte den beispiellosen Vortrag mit tosendem Applaus und lauten Bravorufen und die bescheidenen Künstler*in bedankten sich mit dem betörend interpretierten An die Musik von Franz Schubert.
Ich persönlich freue mich ganz besonders auf die Wiederbegegnung mit Günther Groissböck als Don Carlo-Philipp in Wiesbaden (28. Mai) und hoffentlich bald wieder beim Frühling an des Neckars Gestaden.
Gerhard Hoffmann