Heidelberg: DON PASQUALE- Premiere am 26.1. 2018
Regisseurin Andrea Schwalbach versucht, Don Pasquale, die letzte große italenische Buffo-Oper von Gaetanao Donizetti ins Jetzt und Heute zu übertragen. Pasquale ist ein reicher Endfünfziger, der alleinstehend in seinem großen Haus lebt. In der Inszenierung kommt die à la 50er Jahre bestückte Wohnung aber nicht groß herüber, es ist ein Wohnzimmer mit einer durch eine popige Jalousie abtrennbare Schlafnische, Grammophon und Getränkeständer, daneben eine Küchenzeile, relativ moderne Einrichtung, von der eine Wendeltreppe nach oben in den kleinen Ankleideraum führt. (Bühne: Nanette Zimmermann) Hier sehen wir den Don und neben ihm eine große Wachspuppe (mit der er auch ins Bett geht) auf einem Sessel, italienische Rockmusik und Schlager hörend. Zwischendurch ißt er in der Küche Spaghetti, trinkt abwechselnd Espresso und Rotwein.(Das Italien-Cliché wird heftig bedient). Im Hinterhaus mit italienischen Sprüchen an der Wand leben die prekären Freunde der Friseurin Norina. Ihr Freund Dr. Malatesta will sie mit Don Pasquale als „Sofronia“ verkuppeln und verheiraten, was auch gelingt, da Malatesta gleichzeitig der Therapeut von Pasquale ist. Norina gibt aber sein Vermögen mit vollen Händen aus, so dass er sich gleich wieder scheiden lassen will. Malatesta treibt es selber mit Norina, und der junge Ernesto, ein Neffe Don Pasquales, ist verliebt in sie, schreibt ihr aber einen Abschiedsbrief, da er keine Aussicht auf feste Anstellung für eine Heirat hat. Nun überschreibt ihm aber Pasquale sein Vermögen und das Haus, wenn er ihm „Sofronia“ abnimmt. Somit ist der weg frei für eine „Mehrgenerationen-WG“, und auch die ‚Altersdepression‘ ist abgewendet, da Don Pasquale nun nie mehr allein ist. Das geschieht im Spiel allerdings oft etwas ruckartig und ist nicht so einfach nachzuvollziehen, wie sich die Regisseurin das vorstellt. Die Kostümbildnerin Nora Johanna Gromer hilft ihr aber durch schrille schräge und popige Kostüme und bunte Frisuren einigermaßen auf die Sprünge.
Davide Perniceni leitet die Philharmoniker in einer spritzig sprühenden bisweilen sehr lauten musikalischen Wiedergabe. Alle Einzelheiten der Buffopartitur sind aber ganz eloquent aufbereitet, und die Musiker lassen sich von dem Italiener aus Bergamo (sic!) mitreißen. Der etwas reduzierte auf junges Personal beschränkte Theaterchor hat an der schmissigen Wiedergabe seinen wichtigen Anteil. (E.: Ines Kaun)
Den Pasquale gibt als saturierten Genußmenschen Wilfried Staber mit vollem Einsatz. Sein weicher, dabei voluminös ausdrucksstarker Baß eignet sich auch für die Buffo-Koloraturen, die er bestens meistert. Auch seinen Wandel zur jungen Generation hin kann man ihm abnehmen, da er ja schon zu Beginn sich mit Gianna Nannini-Songs bedröhnt. Etwas steif und ungelenk kommt Ipca Ramanovic als Malatesta herüber. Im blauen Pulli versucht er, seine Intrigen einzufädeln, mit seiner schwarzen Hornbrille überzeugend zu wirken. Dabei unterstützt ihn sein expressiver wohllautender Bariton. Namwon Huh hat als Ernesto zu Beginn gewisse stimmliche Probleme, findet aber aber bald zu seinem süperben feintimbrierten Tenor zurück von dem sich auch die schöne Norina gern betören lässt. Diese nennt in der anmutigen Gestalt von Yasmin Özkan einen „Bomben-Sopran“ ihr Eigen, der von Beginn an klarstellt, wer die Hosen in dieser Menage à 3 anhat (sie trägt tatsächlich einmal in einem feschen roten Anzug). Ihr in allen Registern übergangslos durchgebildeter Sopran strebt vom lyrischen vielleicht bald ins dramatische Fach. Den (falschen) Notar gibt als sympathischer Transvestit Young-O Na, wie so oft als Co-Tenor mit wenigen netten Kurzphrasen bedacht.
Friedeon Rosén