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HEIDELBERG: DON GIOVANNI – Neuinszenierung

08.11.2017 | Oper

Heidelberg: DON GIOVANNI   am 7.11.2017

Am Theater Heidelberg wird wieder Mozarts Don Giovanni in einer Neuinszenierung von Lorenzo Fioroni gespielt. Der Heidelberger Hausregisseur greift auf früheste Fassungen des Stoffes wie ‚El burlador de Sevilla‘ von Tirso de Molina zurück, siedelte somit das Stück in der Übergangszeit Spätrenaissance – Frühbarock an. Dabei ist im Spiel durchlaufende action angesagt. Es wird in Kostümen gespielt, die tatsächlich vom Speicher heruntergeholt erscheinen, und die an die Ritterkostüme in ‚Der Mann von la mancha‘ oder an den Ritter von der traurigen Gestalt erinnern. Die Frauen passen sich mit engen kurzen Kniehosen daran an (Kostüme: Annette Braun). Später tragen Giovanni und Leporello die gleichen höfischen Gewänder, so dass sie sich den Kostümtausch ersparen können. Beim Bauernfest kommt nur der Kinderchor zum Einsatz, die Jungen in kurzen Hosen, die Mädchen in weißen Kleidchen, wie auch Zerlina so wie ein großes Mädchen mit Zöpfen gezeigt wird. Sie lässt sich zwar auf Giovanni ein, rächt aber ihren Masetto später als Furie wie in „Kill Bill“ mit Dolchen, so dass Leporello ein Pflegefall im Rollstuhl wird. Im 1.Akt wird eine barocke Bühne gezeigt mit gemalter Naturlandschaft, durch die Schließung der Gassen wird sie zum Raum von Donna‘ Anna. Elvira verwandelt ihn in einen Kirchhof mit Grabmälern und Nischenkapelle. Im 2.Akt ist dieser Raum zu einem kleinen bühnenmittigen Guckkasten mutiert, wo dann die Weltgeschichte seit dem Barock in Bildern und Jahreszahlen abgeschildert wird. Am Ende zerschlägt der Komtur in Gewandung eines Engels der Geschichte diesen Kasten.(Bb.: Ralf Käselau) Eine breitgefächerte wilde Inszenierung, die zum Nachdenken anregt.

Auch musikalisch wird unter Elias Grandy recht spannend und konzentriert agiert. Die Philharmonker klingen dabei eher dunkel getönt aus dem Graben.

DieTitelfigur wirkt hier durchgehend negativ, oft wie ein Terrorist mit Gewehr,  der aber immer sein nächstes Liebesabenteuer durchsetzen will. Ipca Ramanovic macht das äußerst verwegen, mit Masken und  Perücken und setzt dabei einen hartkantigen, dabei wohlklingend dunklen Bariton in allen Lagen blendend ein. Sein Leporello  ist James Homann  mit Bärenstärke und warmtimbriertem Baß. Einen fast schreckhaft orgelnden Komtur wie Wilfried Staber muß man erst mal finden, Heidelberg hat ihn seit 2009 zum 2.Mal im Ensemble! Eine ganz große Nummer ist auch Irina Simmes als Donna Anna, die ihren jugendlich geraden Sopran bei berückendem Timbre nach Belieben aufdrehen kann. Ihren Schatten Ottavio bringt Namwon Huh sehr gefühlsecht herüber. Als Donna Elvira springt Francesca Lombardi Mazzulli ein. Sie geht wie ‚fliegend‘ in die Koloraturen, kann die Spitzentöne aber nur an- und abreißen, was der Gesangslinie nicht gut bekommt. In den szenischen Part hat sie sich bravourös eingefügt. Den Masetto singt Zachary Wilson  mit teils ‚drahtigem‘ Baß. Seine Zerlina Shahar Lavi, die in dem neu entdeckten Duett mit Leporello groß auftrumpft, ist mit einem angenehm timbrierten Sopran begabt und führt somit die ‚Israel-Connection‘ im Heidelberger Ensemble großartig fort!
Friedeon Rosén

 

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