Heidelberg: DER FREISCHÜTZ – 31.3. 2017 Premiere
Alexander Geller, Zachary Wilson (Ottokar), AP Zahner (Samiel) u.Jägerchor, (c) Annemone Taake
Bei der Inszenierung ‚Freischütz‘ von Sandra Leupold am Theater Heidelberg geht es letztlich um die Leistungsgesellschaft. Natürlich muß der Jägerbursche Max etwas erbringen, um den Erbhof zu übernehmen und Agathe zu heiraten. Warum ihn plötzlich Versagensängste überkommen, darauf kann auch Leupold nicht näher eingehen, vielleicht hängt es mit Schuldgefühlen zusammen, weil er Kaspar Agathe ausgespannt hat. Die Gewaltelemente werden in ihrer Inszenierung stark ausgebaut. Max wird nicht nur etwas gehänselt, sondern von allen einzelnen wie bei einem Spießrutenlauf attackiert. Die einzigen komischen Elemente behält sich Leupold für den Jägerchor auf, bei dem die Jäger herausgeputzt, aber teils mit heutigen Turnschuhen und roten Bäckchen dem Fürsten ihr Ständchen darbringen. Und Ännchen ist immer für witzig komische Aktionen/Erzählungen gut, die aber Agathe nicht zum Lachen bringen.
Eine Einheitsbühne ohne Bühnenbild (Stefan Heinrichs) läßt den Akteuren viele gestalterischen Spielraum. Wie vorher schon Max, entkleiden sich die beiden ‚Freunde‘ auch beide in der Wolfsschlucht, die nur aus der Drehbühne besteht. Das Gießen der Bleikugeln stellt für beide laut Leupold einen großen körperlicher Kraftakt dar, der in hemmungslose Gewalt mit Messer und Blut ausartet. Das wirkt abstoßend und wird auch nicht überzeugt von den Akteuren durchgeführt. Im letzten Akt senken sich vom Schnürboden alle möglichen das böhmische Dorfleben charakterisierende Requisiten in die Szene herab. Witzig auch noch der weiter präsente Samiel im schwarzen Habit mit weißer Schürze und Hut, unter dem sich seine Teufelshörnchen verbergen. Sonst gibt es tragbare Kleider wie dominierendes Förster-Jägergrün (Jessica Rockstroh).
Die gut aufgelegten Philharmoniker werden vom Dirigent Dietger Holm zu gutem historisch informiertem Spiel angehalten, das besonders bei den Streichern in der Wolfschlicht den gewünschten fahlen schaurigen Effekt hervorruft. Knackig auf Tante spielende Blechbläser verdienen sich bei der ‚wilden Jagd‘ ein Sonderlob, Soloklarinette und Oboe verbreiten schönsten romantischen Melodienzauber. Nicht zu vergessen die virtuosen Bratschen und das Cellosolo in der Ännchen-Arie.
Mit dieser äußerst gepflegten musikalischen Seite kann die Szene nur schwer mithalten.Auch die Chöre können spannende angstvolle Atmosphäre generieren. Der Füst in Gestalt von Zachary Wilson wirkt mit seiner großen Gestalt wie ein Pendant zu Max, sie sind ja beide auch Konkurrenten um Agathe. Wilson singt einen angenehmen prononcierten Bariton. Sein Erbförster ist der Chorbaß David Otto. Hye-Sung Na entwickelt als Agathe viel Sopranschmelz und wirkt durchgehend wie eine tragische Figur. Ihr Gegenteil auch in der Körpergröße erscheint Irina Simmes, die das Ännchen ganz fein aussingt. James Homann gibt den Kaspar und kann sowohl anfänglich als Spielbaß als später in seiner Verfluchung dämonisch überzeugen. Als jugendlich dramatischer Tenor ist Alexander Geller auf dem besten Weg zum Heldentenor, da er sein wohlklingendes Tmbre bereits mit Stimmwucht paaren kann. Den Eremit gibt Wilfried Staber rollengerecht und mit warmtimbriertem Baß. Die Brautjungfern sind die Soprane Manuela Sonntag, Elena Trobisch, Marijke Janssens und Ekaterina Streckert.
Friedeon Rosén