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HAYDN „LA POULE“, MOZART Klavierkonzert K. 453, GUÉNIN Symphonie in D-Moll Le Concert de la Loge, Justin Taylor, Julien Chauvin – apartemusic CD

15.10.2017 | cd

HAYDN „LA POULE“, MOZART Klavierkonzert K. 453, GUÉNIN Symphonie in D-Moll

Le Concert de la Loge, Justin Taylor, Julien Chauvin – apartemusic CD

„Mes cocottes, mes chéries, vous êtes splendides ce soir!“

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Ein faszinierendes Experiment und Aufnahmeprojekt: Im Jahr 2015 entschied sich der Geiger und Dirigent Julien Chauvin, eines der sagenumwobensten Orchester des späten 18. Jahrhunderts, Le Concert de la Loge Olympique, als „Originalklangensemble“ neu zu beleben. Das 1783 gegründete Orchester als ein durch die „Pariser Symphonien“ zu Ruhm gekommener Auftraggeber für unseren Joseph Haydn in die Musikgeschichte eingegangen. Dieses „Freimaurerorchester“ spielte nicht nur aus Anlass der Initiation Voltaires, sondern war der berühmteste Pariser Klangkörper seiner Zeit. Der auf der CD mit seiner Symphonie in D-Moll Op. 4 Nr. 3 verewigte Marie-Alexandre Guénin hatte die Funktion eines zweiten Geigers in diesem Orchester innegehabt.

Das Orchester nimmt alle Pariser Symphonien von Joseph Haydn auf, aber nicht als fest umgrenzten Zyklus für sich, sondern jeweils eine der sechs Pariser Symphonien im musikhistorischen Kontext mit anderen Kompositionen. Der erste Teil mit dem Titel „La Reine“ war Haydns Symphonie Nr. 85 gewidmet und wurde mit Henri-Joseph Rigels Symphonie op.12 Nr.4 und zwei Arien von Sarti „Io d’amore oh Dio mi moro“ aus Didone abbandonata und von Johann Christian Bach „Semplicetto, ancor non sai“ aus Endemione, gekoppelt.

Auf der vorliegenden CD steht nun die Symphonie Nr. 83 mit dem humorigen Beinamen „La Poule“ auf dem Programm. Klugerweise wurde diese stürmische Haydn Symphonie mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 17 in G-Dur, KV 453 und der Symphonie in D-Moll von Marie-Alexandre Guénin kombiniert. Das passt zur innovativen programmatischen Ausrichtung des Orchesters. Am Beispiel der Gepflogenheiten am Ende des 18. Jahrhunderts wollen die frz. Musiker neue Konzertformen auskundschaften und verschiedene Genres und Künstler während eines Abends mischen bzw. Brücken zu andern künstlerischen Disziplinen bauen. Auch in diesem Album wurde in diesem Sinne ein Dichter, Léonor de Récondo, eingeladen, der zu Haydns „Hennen-Symphonie“ eine gar köstliche zeitgenössische Geschichte ersonnen hat. Sie dreht sich um rotweintrinkende acht Frauen, die ganz nach Pariser Manier einen köstlichen Diskurs über Liebhaber und die kurze Dauer solcher Liaisons führen.

Als Basis der Aufnahme dienten die Partitur, die Haydn an den Comte d‘Ogny geschickt hat und die Pariser Edition von Imbault. Das Orchester will damit die Version, die vom Concert de la Loge Olympique während der ersten Konzerte 1786 in den Tuilerien gespielt hat, wieder zu Gehör bringen. Mozarts Klavierkonzert soll trotzdem er in Paris unglücklich war, den frz. Einfluss auf sein Kompositionen aus dieser Zeit beleuchten. Die größte Überraschung auf dem Album dürfte für viele jedoch die „Sturm und Drang“ Symphonie von Marie-Alexandre Guénin sein. Letzterer war ein Violinvirtuose, Komponist und Musikverleger. Auf dem Weg von der Aufklärung zur Romantik angesiedelt, schreib Guénin drei hervorragende Symphonien Op. 4, die eine Synthese der Ästhetik des italienischen, deutschen und französischen Stils darstellen.

Le Concert de la Loge arbeitet hier wie bei Haydn die extremen Kontraste heraus. Dirigent Julien Chauvin setzt auf eine rigoros vorwärtsdrängende, hochenergetische Lesart. Das klingt vielfach typisch französisch, wo die Vorliebe zum Wort sich auch in der Auffassung von Artikulation bei Originalklanginstrumenten widerspiegelt. Diese Lust an der Klangrede mit intensivem inneren Dialog der einzelnen Stimmen überträgt sich auch auf den Hörer. Alles sprüht vor feiner Ironie, auch bei dramatischen Passagen ist immer ein wenig augenzwinkernder Theaterdonner dabei: Nicht alles im Leben muss bierernst genommen werden. Mozarts Klavierkonzert KV. 453, das beim jungen Justin Taylor auf dem Hammerklavier spruchwörtlich in den besten Händen liegt, klingt so leicht und schwebend, so unnachahmlich duftig und luftig wie ein Orangensoufflée in Paris. Das Wasser könnte einem im Munde zusammenlaufen.

So harren wir gespannt der Fortsetzung dieses ungewöhnlichen und aufregenden Projekts, das noch viele Bezüge der berühmten Haydn Symphonien zur Musik der Entstehungszeit herstellen möge.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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