HANS SOMMER: Balladen und Romanzen – SEBASTIAN NOACK Bariton; MANUEL LANGE Klavier, CAvi CD
Noack und Lange gründeten 2006 die Berliner Konzertreihe „Meisterlied“, welche sie dem deutschen romantischen Kunstlied widmeten. Als merklich eingespieltes Team treten die beiden nun auch im Studio den Beweis an, dass sie die Kunstform „Lied“ zu neuen Höhenflügen animieren und gar vergessenes spätromantisches Liedgut mit Bravour und Herz wiederbeleben können.
Hans Sommer alias Hans Friedrich August Zincken war eigentlich Naturwissenschaftler und einer der Begründer des deutschen Musiker-Urheberrechts. Aber schon während des Mathematik- und Physikstudiums erhielt er Kompositionsunterricht bei Grimm, später bei Marx und Meves.
Die Qualität seiner Beiträge zum spätromantischen Lied kann nun anhand der Einspielung von Balladen und Romanzen nach Texten von Joseph von Eichendorff (Op. 8), Johann Wolfgang von Goethe (Der König von Thule, Der Fischer) und vor allem von Felix Dahn (Op. 11) faszinierend nachvollzogen werden. Wie im Booklet eindringlich beschrieben, nutzt Sommer eine komplexe Harmonik und ametrische Melodiegestaltungen als Stilmittel, schafft expressive Bögen für den Sänger und bedient sich symbolistisch-sensualer Klangfarben. Ich würde sagen, Sommer hat als Anhänger der Neudeutschen Schule seinen Wagner gut studiert, findet aber vor allem in den Texten Felix Dahns zu einer Meisterschaft im Dialog von komplex eigenständigem Klavierpart und anspruchsvollster Gesangslinien, die derjenigen anderer zeitgenössischer Größen beginnend mit Richard Strauss oder Hugo Wolf kaum nachsteht.
Sebastian Noack ist der ideale Liedsänger. Textdeutlich und voller deklamatorischer Finesse (das hat er wohl bei seinen Lehrern Dietrich Fischer Dieskau und Thomas Quasthoff gelernt) nennt der mittlerweile selbst zum Gesangsprofessor in Berlin avancierte Künstler ein männlich rundes, hell-bronziertes Timbre (vom Stimmtyp her eher Prey als Dieskau) sein Eigen. Eine hohe gestalterische Eindringlichkeit sowie ein exemplarisch erzählerischer Vortrag machen das Zuhören zu einem reinen Vergnügen. Die Stimme geht bruchlos über alle Lagen und blüht in der Höhe expansiv auf. Außerdem vermag Noack dynamisch Grenzen auszuloten, ohne zu übertreiben und die Lyrik dermaßen differenziert und tief auszuloten, dass die CD ihr Publikum von der ersten bis zur letzten Minute in Bann hält. Manuel Lange am Klavier ist nicht hat nur kongenial achtsamer Begleiter, sondern ein fulminanter Pianist, der im künstlerischen Dialog dennoch seine Eigenständigkeit als dialektisches Gegenüber bewahrt.
Für Liebhaber romantischer Liedkunst ist dieses Album ein Muss.
Dr. Ingobert Waltenberger