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HANNOVER: TRISTAN UND ISOLDE. Premiere

17.09.2018 | Oper

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HANNOVER/ Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE. Premiere am 16. September 2018

Für seine letzte Spielzeit als Intendant der Staatsoper Hannover hat sich Michael Klügl ein ebenso ambitioniertes wie facettenreiches Programm vorgenommen, das mit einer Neuinszenierung von Tristan und Isolde seinen Auftakt genommen hat. Kein Werk Wagners ist ärmer an äußerer Handlung, keines so explizit auf die Innenwelten der Figuren konzentriert. Das macht Tristan und Isolde, bei aller Beliebtheit im Opernkanon, doch zu einem schwierig umsetz- und vermittelbaren Stück.

Als Regieteam wurden Stephen Langridge und, für Bühne und Kostüme, Connor Murphy verpflichtet. Sie haben sich für einen sehr geraden, unverstellten Blick auf die Geschichte entschieden, der genau diesen Innenwelten der Figuren, und somit dem Text, viel Platz gibt. Ein gebogener weißer Raum, nach hinten mit einer Art überdimensionaler Lamellen begrenzt, eine großes Rohr, mal liegend, mal aus dem Bühnenhimmel herabragend, eine Treppe – als Schiffsbrücke – ein Bett im zweiten und dritten Akt, alles in weiß: in diesem Bühnenraum, dessen wesentliche Elemente sich nicht veränden, nur verschieben, und den Susanne Reinhardt ebenso wirkungsvoll wie ästhetisch ausgeleuchtet hat, bleibt in der Tat viel Spielraum für das, was die Figuren sagen. Stephen Langridge hat den Mut, sich sehr auf den Text zu konzentrieren und ihm zu vertrauen, denn, so schwierig er im einzelnen ist, er funktioniert, wenn man ihn denn lässt. Es geht hier also nicht um den Versuch einer Neudeutung, nicht darum, bisher unentdeckte Schichten aus dem Werk hervorzuholen. Einziges Element, was überrascht und im Lauf des Abends immer wieder Fragen aufwirft, ist die Verknüpfung des Geschehens mit Butoh-Tanz. Ein Tänzer und eine Tänzerin begleiten die gesamte Aufführung in Choreographien, die manchmal offensichtlich das Geschehen auf der Bühne kommentieren, manchmal spiegeln sollen. Ob die beiden als eine Art alter ego von Tristan und Isolde fungieren – möglich ist es. Die fließenden, weichen Bewegungen strahlen viel Ruhe aus, vielleicht ein Versuch, die aufgebrachten Emotionen der Protagonisten zu erden? Nora Otte und Tadashi Endo jedenfalls werden für ihre Leistung am Ende mit genauso viel Beifall wie Solisten und Orchester bedacht.

Die starke Konzentration der Inszenierung auf den Text macht es erforderlich, davon so viel wie möglich mitzubekommen. Dafür sorgen natürlich die Übertitel, aber insgesamt ist dem Ensemble eine vergleichsweise gut textverständliche Darstellung ihrer Partien gelungen. Und das lag auch an Will Humburg, der erst wenige Wochen vor der Premiere die musikalische Leitung übernommen hatte. Nicht nur, dass er aus dem bestens disponierten Staatsorchester schönste und schwelgerischste Farben herausholte, den wellenförmigen Spannungs- und Stimmungsverlauf der Partitur eindrucksvoll nachzeichnete, er tat vor allem eines – das Ensemble zu begleiten, ohne dem Orchester an Intensität und Gewicht etwas zu nehmen. Humburg ist ein erfahrener Mann im Wagner-Repertoire und weiß genau, wie er diese Partitur zu nehmen hat, wo er Üppigkeit zulassen kann und wo er die Solisten mit besonderer Zurücknahme tragen sollte. Davon profitierten diese sehr. Kelly God gelang insgesamt ein starkes Rollendebüt als Isolde. Die Schärfen, über die ihre Stimme in der exponierten hohen Lage verfügt, stachen sogar noch nicht einmal als Manko hervor, im Gegenteil. Sie legt die Rolle sehr selbstbewusst an und will sich zu behaupten wissen, das muss nicht immer schön klingen. Wirklich bemerkenswert war, wie sich sich die riesige Partie einzuteilen wusste und bis zum Schluss über klar intonierte und sicher platzierte Piano-Töne verfügte. Dafür gebührte ihr zurecht der stärkste Beifall.

Robert Künzli als Tristan hatte sich vor der Vorstellung wegen eines noch nicht abgeklungenen Infektes ansagen lassen. Vielleicht hätte die Stimme mit voller physischer Präsenz noch freier klingen können, nichtsdestoweniger ist auch ihm ein beeindruckender Abend gelungen. Genauso wie Kelly God ist auch er mit sehr bedachter Einteilung der Kräfte an die große Aufgabe herangegangen und konnte so im dritten Akt starke Reserven mobilisieren und ein sehr intensives Rollenportät formen. Als „der Mann dazwischen“ machte Tobias Schabel als König Marke, sicherlich jünger als es Rollenklischees erwarten lassen, mit balsamisch-strömendem Bass allerbeste Figur. Khatuna Mikaberidze hat eine große, leuchtende Stimme, mit der sie vor allem im zweiten Akt wunderschöne Phrasen zu gestalten wusste. Dass in den Randlagen ihre Stimme mitunter dazu neigt, etwas außer Kontrolle zu geraten, fügte sich hier durchaus passend in ihre intensive, verunsicherte und fragende Gestaltung der Figur ein. Tristans Vertrauter Kurwenal ist sicher die undankbarste der größeren Partien. Stefan Adam nutzte gleichwohl den dritten Akt, um sich als besorgter, aber auch entschlossener Freund Tristans ebenso kraftvoll wie differenziert zu profilieren. Gihoon Kim als Melot, Uwe Gottswinter als Hirt, Byung Kweon Jun als Steuermann und Simon Bode als junger Seemann vervollständigten das Ensemble auf mehr als kompetentem Niveau.

Am Ende gab es viele verdiente Bravos und ein paar unverständliche, aber wohl unvermeidliche Buhs für das Regieteam.

Christian Schütte

 

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