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HANNOVER / Staatsoper: L’INCORONAZIONE DI POPPEA. Premiere

08.06.2019 | Oper

L’Incoronazione di Poppea

Staatsoper Hannover, 07. Juni 2019, Premiere

Die 13 Jahre der Intendanz von Michael Klügl an der Staatsoper Hannover gehen diesen Sommer zu Ende. Als letzte Premiere stand Monteverdis späte venezianische Oper auf dem Programm, eine Reminiszenz an die Anfänge der Oper zum Abschluss und zugleich Abschied für viele Mitglieder des Ensembles.

Musikalisch ist der Staatsoper eine sehr konzentrierte, intensive Aufführung gelungen. Howard Arman als Gast leitete, vom Cembalo aus, den Abend klar, präzise und, vor allem, mit sehr viel Mut zur Reduktion. Die, ihn selbst eingeschlossen, 14 Musiker saßen auf der Bühne, das Geschehen spielte sich auf dem hochgefahrenen Orchestergraben ab. Das schaffte einen recht intimen Raum, der es ermöglichte, die ohnehin kleine Besetzung zu äußerster Zurücknahme anzuhalten. Und das tat Monteverdis Musik in einigen Momenten sehr gut.

Das Ensemble bestand ausschließlich aus hauseigenen Mitgliedern, die sich sehr gut auf die besonderen Anforderungen dieser Musik eingestellt haben. Allen voran Stella Motina in der Titelpartie, die sich den Vorgaben Howard Armans bestens anzupassen vermochte und ein emotional differenziertes Porträt der Poppea zeigte, mit ausgesprochen flexibler und bei aller Zurücknahme intensiver Stimmgebung. Ihre Soprankollegin Ania Vegry als Drusilla stand ihr da in nichts nach. Mit sehr dunkler Färbung gab Julie-Marie Sundal den enttäuschten und schließlich zum Mordversuch angestifteten Ottone. Nero und Ottavia waren mit Monika Walerowiczs und Josy Santos‘ glutvoll leuchtenden Mezzosopranen genau richtig besetzt. Beide waren, bei allem nicht zu unterdrückendem Hang zur großen opernhaften Geste, ebenfalls wunderbar fließend und flexibel auf Monteverdis speziellen Stil eingestimmt.

Sung-Keun Park gewohnt spiel- und sangesfreudig als Amme, Daniel Eggert klangstark-autoritär als Seneca, Ylva Stenberg als hell-aufblitzender Amore und Valletto sowie Uwe Gottswinter, Jonas Böhm und Edward Mout in den kleineren Partien vervollständigten das Ensemble, das an der Staatsoper nicht nur für diese Produktion, sondern in den letzten Jahren überhaupt zu statthaftem Niveau gewachsen ist.

Für die Inszenierung zeichnete Ingo Kerkhof verantwortlich, ein sehr regelmäßiger Gast in Hannover seit Michael Klügls Amtsantritt. Auch in dieser Produktion blieb er sich sehr treu, weitgehende Reduktion des Raumes, wenig Bühnenbild und Requisiten. Am Anfang und im Verlauf des Abends immer wieder sitzt das gesamte Personal nebeneinander auf der Bühne, vor einer Wand oder, wie auch hier, an einem langen Tisch. Solche Bilder sind dem hannoverschen Publikum aus vielen Produktionen vertraut, Figaro, Ariadne, etc.. Kerkhof hat eine ausgesprochen sichere Fähigkeit, die Handlung ganz aus dem Text heraus und sehr auf die Personen zugeschnitten zu erzählen. Das funktionierte auch an diesem Abend, einerseits. Andererseits wären ein wenig mehr szenische Akzente durchaus hilfreich gewesen; es liegt in der Natur von Monteverdis Musik, ja in der Musik dieser Zeit, dass weniger dramatische Aufladung und Höhepunkte den Zuschauer in Bann ziehen, wie es im Repertoire späterer Zeiten gleichsam wie von selbst funktioniert. Kräftigere Bilder wären hier also insofern an einigen Stellen nicht unwirksam geblieben, weil der inklusive Pause fast dreieinhalbstündige Abend so vor einer mitunter aufgekommenen Gleichförmigkeit bewahrt geblieben wäre. Es kam keine Langweiligkeit auf, es liegt eben wirklich im Stück selbst, dass wenig abwechselnde Effekte da sind. Dies hätte Kerkhof noch mehr auffangen können.

Nichtsdestoweniger hat der Abend einen überzeugenden Eindruck hinterlassen, den das Premierenpublikum mit begeistertem Beifall bedachte.

Christian Schütte/ Hannover

 

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