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HANNOVER/ Staatsoper: DIE ENGLISCHE KATZE von Hans Werner Henze. Premiere

27.11.2016 | Oper

Hans Werner Henzes „Die englische Katze“ an der Staatsoper Hannover, Premiere am 26. November 2016

Stella Motina entdeckt die Katze in sich.
Stella Motina entdeckt die Katze in sich. Copyright: Thomas M. Jauk

Hans Werner Henzes 1983 bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführte Oper „Die englische Katze“ ist eine harte Nuss, die es für sämtliche Beteiligten zu knacken gilt. Zuerst für den Regisseur bei der Frage, was dieses Stück eigentlich ist. Eine Oper über Katzen? Eine Fabel? Eine gesellschaftskritische Parabel? Von allem etwas. Lord Puff, ein alter Kater und „dienstälteste“ Katze einer Lady, die im Stück nie auftaucht, soll mit einer jungen Katze vom Land, Minette, verheiratet werden und dann Präsident der von Katzen geführten „Königlichen Gesellschaft zum Schutz der Ratten“ werden. Vegetarische Ratten, die Einswerdung von Erzfeinden, Heiratsabsichten aus Geldgier, falsche Freundschaften, schließlich vorgeheuchelte Wohltätigkeit als Selbstzweck moralischer Integrität – an Indizien sozial- und gesellschaftskritischer Schablonen mangelt es der Geschichte nicht. Henze und sein Librettist Edward Bond greifen auf typische Muster der komischen Oper für die Erzählung dieser zwischen den Anspielungen schwebenden Geschichte zurück, in Hannover ist die deutsche Textfassung von Ken Bartlett zu hören.

Einen guten Griff hat die Staatsoper mit der Regisseurin Dagmar Schlingmann getan. Sie erzählt die Geschichte nicht in jeder Facette konkret, betont die Surrealität des Geschehens durch vor allem in den Ensembleszenen immer wieder stilisierte Bewegungen, die kätzisch sein könnten, aber durchaus Spielraum für vielerlei Assoziationen lassen. Viele Details der Personenführung stärken diese nicht genau zu verortende Sicht auf das Geschehen, und genau das braucht es. Leichtigkeit, Verspieltheit und den Anspruch, diese Geschichte nicht mit vollem Ernst – aber das ganz bewusst – zu erzählen. Sabine Mader hat dafür als Raum ein schräges. drehbares und spärlich eingerichtetes Zimmer gebaut, das aus allen Blickwinkeln, innen, davor, daneben und darunter  flexible Spielflächen ermöglicht, auch einmal halb im Bühnenboden versinkt. Eine rote Feuerleiter, die aus dem Himmel herabschwebt, reicht, um das Dach des (Katzen-) Hauses darzustellen. Die Kostüme von Ellen Hofmann zeigen vor allem die Unterschiede zwischen der einfachen Kleidung der Landkatzen und dem feineren Stil ihrer städtischen Artgenossen, einzig Perücken und angedeutet aufgemalte Masken deuten auf die Tiere hin. Zwischen allen steht im grauen Kleid eines einfachen Dienstmädchens die Maus Louise, die von den Katzen als Zeichen ihrer Güte aufgenommen wurde.

Vertrackt sind ebenso die Ansprüche an die musikalische Realisierung, vor allem für das Ensemble. Aus dem ragt Ania Vegry als Minette heraus, sie singt die perlend-leichten Koloraturen genauso präzise wie die lyrischen Bögen ihrer Partie. Als überzeugenden Verführer gibt Matthias Winckhler mit kernigem Bariton den jungen Kater Tom. Sung-Keun Park ist sicher noch nicht in dem Alter angekommen, in dem Tenöre vom lyrischen ins Charakterfach wechseln. Doch seine Lust am Spielen, seine Hingabe an die Rolle und sein klar und hell klingender Tenor weisen vielleicht in eine bestimmte Repertoirerichtung. Julia Sitkovetsky ist mit gibt mit hell-leuchtendem Soubrettenklang anrührend die Maus Louise, Daniel Eggert mit profunden Basstönen den sich um sein Erbe betrogen fühlender Arnold. Und auch das gesamte übrige Ensemble mit den Damen Hanna Larissa Naujoks, Stella Motina, Mareike Morr und Carmen Fuggiss sowie den Herren Martin Busen, Edward Mout und Byung Kweon Jun stellt sich den Herausforderungen Henzes souverän.

Mark Rohde leitet das Staatsorchester sicher über die Klippen dieser von mitunter schroffen Gegensätzen und ganz und gar unterschiedlichen stilistischen Einflüssen und Reminiszenzen geprägten Partitur.

Einhelliger, starker Beifall für alle auf, vor und hinter der Bühne.

Christian Schütte

 

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