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HANNOVER/ Staatsoper. AIDA- Premiere

Wir spielen "Aida"

14.04.2018 | Oper

HANNOVER/ Staatsoper: AIDA – Neuinszenierung an der Staatsoper Hannover, Premiere am 14. April 2018

Wir spielen Aida

Nach dem weit über Hannover hinaus als großer Theaterskandal gefeierten Freischütz im Dezember 2015 war die Spannung groß, ob Regisseur Kay Voges und sein Team der Staatsoper nun mit Verdis Aida den nächsten Orkan der Entrüstung bescheren. Doch der Skandal bleibt aus. Am Ende gibt es einhellig begeisterten Beifall für alle Beteiligten, wenige Buh-Rufe beim Auftritt des Regieteams haben keine Chance.

Der Zuschauer erlebt Theater auf dem Theater. Zu Beginn sitzen die Protagonisten als sie selbst vor typischen Probenbühnenwänden an einem langen Tisch, der Chefdramaturg des Hauses verteilt an jeden einen – wahrscheinlich – Klavierauszug. Dann geht es los, die Geschichte nimmt von einer Probensituation ausgehend ihren Lauf. Kay Voges, Bühnenbildner Daniel Roskamp und Kostümbildnerin Mona Ulrich breiten nicht ein durchgehendes Konzept über dem Abend aus, vielmehr wird die Probensituation immer wieder mit einigen Klischees der Aufführungstradition der Aida konfrontiert. Rampensingen, vor allem bei den großen Aufmärschen, Elefanten und ein Krokodil als unvermeidbare Anspielung auf Ägypten. Ob diese Anspielung nötig ist, stellt der Regisseur immerhin mit einer Textprojektion auf den heruntergelassenen schwarzen Vorhang während des Triumphmarsches in Frage. Einige Bilder und Assoziationen werfen ebenso Fragen auf, zum Beispiel, was zwei Mal im Lauf des Abends ein Statist im Astronautenkostüm auf der Bühne zu suchen haben mag oder auch der menschengroße Plüschhase, der am Ende des zweiten Aktes das Geschehen beäugt. Schlammcatchen zur Belustigung von Amneris und ihren Gespielinnen sorgt mehr für Lacher als für Empörung. Plakativ auf die Kostüme geschriebene Worte wie SLAVE oder KING sind nicht nötig, aber ebenfalls alles andere als skandalwürdig. Und so ließe sich die Aufzählung einzelner Details fortsetzen.

Der Einsatz von Videoprojektionen ist natürlich eine Marke vom Team um Kay Voges geworden, in dieser Inszenierung jedoch relativ dezent eingesetzt, sowohl die von Voxi Bärenklau und Mario Simon produzierten Videos als auch die von Jan Isaak Voges gedrehten Live-Einspielungen, alle zeigen überwiegend die Protagonisten. Im Lauf der Aufführung entstehen, vor allem im dritten und vierten Akt, in der Auseinandersetzung zwischen Aida und ihrem Vater, später mit Amneris, aber auch ganz am Schluss, wenn Radames und Aida gemeinsam in den Tod gehen und die gewandelte Amneris von der Seite zuschaut, einige intensive, nachwirkende Bilder. Kay Voges arbeitet stark assoziativ, lässt die einzelnen Einfälle aufeinanderprallen. Eine stringente Geschichte entsteht so nicht, aber da es sich bei Aida nun auch nicht um eine dramaturgisch dicht durchgewobene Oper handelt, ist das machbar. Das Ergebnis ist nicht schlüssig, aber es ist ein Umgang mit dem Stück, der durchaus zum Nachdenken darüber anregen kann.

Dieser szenischen Sicht setzt Generalmusikdirektor Ivan Repuŝić vor allem kraftvolle Akzente entgegen. Er betont die triumphalen, aufgeladenen Szenen, leitet das Staatsorchester zu dramatisch zupackendem Musizieren an. Das animiert ganz besonders den Chor der Staatsoper, der sich, ergänzt durch den Extrachor, einmal wieder als  souveräne und verlässliche Größe des Hauses erweist. Das Staatsorchester folgt Repuŝićs Vorgaben mit großer Konzentration und gibt sich dem Klangrausch hin. Das bringt die Solisten auf der Bühne allerdings kaum in Nöte, denn die vokale Seite gerät ebenfalls überwiegend kraftvoll und intensiv. Ganz hoch in der Publikumsgunst, und zurecht, steht am Ende Khatuna Mikaberidze als Amneris. Sie spielt die Entwicklung der Figur sehr überzeugend und lässt ihren glutvollen Mezzosporan vor allem in den hohen Lagen eindrucksvoll leuchten. Kurzfristig eingesprungen ist George Oniani als Radames, der sich in wenig Zeit doch bemerkenswert selbstverständlich in das nicht ganz einfache Regiekonzept eingefügt hat. Er singt den fallenden Helden der Oper mit hellem, metallischem Tenor, ein paar Verhärtungen in den Spitzentönen fallen nicht ins Gewicht. Auch wenn Karine Babajanyan im dritten Akt in der Auseinandersetzung mit Amonasro an Format gewinnt, hinterlässt sie in der Titelpartie insgesamt einen leider blassen Eindruck. Im ersten und zweiten Akt klingt ihre Stimme oft flach, fast körperlos. Sie singt die Partie akkurat, aber es stellt sich zu wenig der Eindruck ein, als läge ihr die Aida besonders gut in der Stimme.

Ungleich präsenter sind die kleineren Partien besetzt, Shavleg Armasi mit volltönendem Bass als Ramphis, Brian Davis mit heldisch-auftrumpfendem Bariton als Amonasro und Daniel Eggert als sonorer König. Athanasia Zöhrer als Tempelsängerin und Martin Rainer Leipoldt als Bote komplettieren das Ensemble adäquat.

So geht diese Aida als musikalisch insgesamt eindrucksvoller, szenisch manchmal inspirierender, manchmal fragwürdiger Abend zu Ende. 

Christian Schütte

 

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