Christoph Eschenbach und Tzimon Barto zu Gast bei der NDR Radiophilharmonie Hannover
Konzert am 29. November 2018 im Großen Sendesaal des NDR in Hannover
Zum ersten Mal stand Christoph Eschenbach am Pult der NDR Radiophilharmonie Hannover. Ein anspruchsvolles Programm hatte er sich für sein Debüt mit dem Orchester ausgesucht, der Abend geriet zu einem großen Erfolg.
Franz Liszts letzte sinfonische Dichtung „Von der Wiege bis zum Grabe“ ist sicher spröder, weniger eingängig als seine vorangegangenen Kompositionen dieser Gattung. Gerade in der Reduktion der Mittel und der sich daraus ergebenden Konzentration liegt der besondere Reiz des Werkes, den Eschenbach mit großer Klarheit und Präzision herausarbeitete. Bereits bei diesem Auftakt zum Programm war zu hören, wie fruchtbar und inspirierend die Probenarbeit mit der Radiophilharmonie gewesen sein muss, das Orchester folgte Eschenbachs Vorgaben mit viel Transparenz und üppigem Klang.
Die Position des Solokonzertes nahm an diesem Abend ein Werk von wahrlich sportlicher Ambition ein. Denn was Béla Bartók dem Solisten in seinem zweiten Klavierkonzert abverlangt, ist von athletischer Virtuosität. Dabei geht es gar nicht darum, das Klavier in besonderer Weise herauszustellen, es ist vielmehr ein Dialog auf Augenhöhe mit dem Orchester, gespickt mit höchsten technischen Anforderungen an Alle. Eschenbach hatte die Radiophilharmonie bestens auf diesen Monolith vorbereitet, in allen Instrumentengruppen klang die sehr farbig gearbeitete Partitur differenziert, schroff ebenso wie ganz introvertiert. Zu einem Ereignis geriet jedoch vor allem Tzimon Barto, der den Solopart mit beeindruckender Leichtigkeit und dabei höchster Intensität spielte. Die technischen Anforderungen scheinen ihm vollkommen selbstverständlich zu sein, mit größter Souveränität gab er sich in das kraftzehrende Stück und fand einen Ton, der sich kongenial mit dem Orchester verband, ohne dabei die Rolle als Solist aufzugeben. Viele verdiente Bravos für diese bemerkenswerte Interpretation.
Mit Bartók ging es nach der Pause weiter, nämlich mit dem Konzert für Orchester. Im Kontrast zum insgesamt strengeren Klavierkonzert verdeutlicht dieses Stück, dass der Komponist durch etwa die Anklänge an ungarische Volksmusik auch ganz andere Seiten hatte. Die Komposition ist zwei Jahre vor Bartóks Tod entstanden und offenbart eine Vielzahl stilistischer Elemente, die ihn als farbigen und instrumentationsfreudigen Komponisten zeigen. Christoph Eschenbach und die fabelhaft disponierte Radiophilharmonie kosteten die Fülle an Farben und Formen in voller Leidenschaft aus. Eine bestechend geschlossene Interpretation, die Kontraste hervorhob, ohne dabei den großen Bogen über die fünfteilige Komposition zu verlieren.
Ein großer Abend für die NDR Radiophilharmonie, vom Publikum mit langanhaltendem Beifall bedankt.
Christian Schütte