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HANNOVER/ Kuppelsaal des HCC: KONZERT PITTSBURGH-SYMPHONY-ORCHESTRA

Spiel mit den Gegensätzen

29.10.2019 | Konzert/Liederabende

Spiel mit den Gegensätzen

Igor Levit, Manfred Honeck und das Pittsburgh Symphony Orchestra in Hannover

28. Oktober, Kuppelsaal im HCC

Bruckners neunte Sinfonie, seine letzte, schließt sein sinfonisches Schaffen ab, zieht Bilanz, ist voller Bezüge zu eigenen Werken wie auch zu solchen von Komponisten, denen Bruckner sich verbunden fühlte. Eine Komposition von suggestiver Intensität, ein Werk wie aus einer anderen Dimension – diese Sinfonie könnte allein auf dem Programm eines Konzertes stehen, wenn auch ihre zeitliche Dimension mit einer guten Stunde nicht abendfüllend ist. Manfred Honeck und das Pittsburgh Symphony Orchestra haben ihr dennoch Mozarts Klavierkonzert Nr. 22 vorangestellt. Und das machte Igor Levit zum Ereignis.

Levit ist seit seinem Studium an der hannoverschen Musikhochschule kein Unbekannter in der Stadt, seit diesem Wintersemester übernimmt er nun als Professor an seiner ehemaligen Hochschule selbst Verantwortung für die Ausbildung des Nachwuchses. Die Tournee des Pittsburgh Symphony Orchestra führte ihn jetzt als Solist in den Kuppelsaal der Stadthalle. Igor Levit setzte darauf, vor allem die großen Gegensätze in Mozarts Klavierkonzert Nr. 22 in Es-Dur zu betonen. Der Leichtigkeit und Heiterkeit des ersten Satzes, den er ebenso perlend wie scheinbar über den Noten schwebend intonierte, stehen im zweiten Satz Ernsthaftigkeit und Melancholie gegenüber. Hier zeigte sich Igor Levit als ungemein intimer Mozart-Interpret. Schließlich besticht der dritte Satz durch seine rhyhmische Raffinesse und die harmonischen Überraschungen, die Levit ebenso stilsicher nachzuempfinden verstand. Großer Beifall für diese exzeptionelle Mozart-Lesart.

Bruckners neunte ist nicht nur seine letzte Sinfonie, sie ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Rein äußerlich fällt die Aufteilung in nur drei Sätze auf, was bei Bruckner singulär ist; der erste Satz ist von schier epischer Länge, voll typischer Bruckner-Klänge, und doch weniger schroff, beinahe milder, sanfter. Das Scherzo als Mittelsatz ist vielleicht der ungewöhnlichste Satz seiner Art, der aus einer leicht dahinperlenden Keimzelle eine martialische Wucht entwickelt, die aufwühlt. Ebenso ungewöhnlich, aber unbedingt kohärent innerhalb dieses sinfonischen Spätwerks ist, dass ein langsamer Satz am Ende steht und damit ein stiller, zurückgezogener Ausklang. Manfred Honeck und das Pittsburgh Symphony Orchestra formten diesen sinfonischen Monolithen mächtig, ohne jedoch nur einen Augenblick zu viel an Dynamik und Dramatik zu geben; die für Bruckner so wesentlichen abrupten dynamischen Kontraste sind auch in dieser Sinfonie zu finden, doch weniger stark ausgeprägt; Manfred Honeck wusste sie genau zu dosieren.

Reminiszenzen an eigene Werke sind nicht untypisch für eine Komposition, die Bilanz ziehen will; doch auch viele Werke, die Bruckner auf dem Weg zu dieser Sinfonie begleitet  haben, sind unüberhörbar zu erkennen. Wagners Parsifal vielleicht am offensichtlichsten, und das passt durchaus dazu, dass Bruckner seine neunte „dem lieben Gott“ gewidmet hat, als kompositorisches Vermächtnis eines gläubigen Mannes, der ohne tiefe spirituelle Dimension nicht komponieren konnte. Diesem Geist der Sinfonie spürte Manfred Honeck mit seinem glänzen musizierenden Orchester beeindruckend nach. Langer, intensiver Beifall am Ende.

 

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