NDR Radiophilharmonie Hannover mit Werken von Jan Müller-Wieland und Anton Bruckner
Kuppelsaal der Stadthalle Hannover, 20. Februar 2020
Die Umbauarbeiten im Großen Sendesaal des NDR in Hannover haben sich ein weiteres Mal verzögert, und so musste die Radiophilharmonie für dieses Konzert erneut in den ihr inzwischen bestens bekannten Kuppelsaal der Stadthalle ausweichen. Da auf dem Programm zwei Werke standen, die große räumliche Dimensionen durchaus vertragen, war das keine ganz schlechte Fügung.
Jan Müller-Wieland hat im Auftrag des NDR seine Komposition „Gottesspur“ geschaffen, ein Konzert für Fagott und Kontrafagott, Elektronik sowie groß besetztes Orchester. Das Konzert umfasst zehn Abschnitte und vereint so gegesätzliche Elemente wie die Imitation von Walgesang – im vorletzten Abschnitt – und eine Anspielung auf die Sarabande aus Bachs 5. Cellosuite. Der Komponist, der bereits eine stattliche Anzahl abendfüllender Musiktheater-Werke vorgelegt hat, sagt selbst über sein Stück, es sei „eine Art Einakter ohne Worte“. Diese Einschätzung mag vor allem darin begründet liegen, dass das Solofagott bzw. -kontrafagott hier nicht nur als Instrument, sondern auch als Protagonist in Erscheinung tritt. Müller-Wieland verlangt dem Solisten durchaus einige sehr besondere Spielweisen ab, die auch nur aus dem Drücken der Klappen bestehen können. In Malte Refardt, ehemaliger langjähriger Solofagottist der NDR Radiophilharmonie, hat er darin einen mehr als adäquaten Musiker gefunden, der eben auch bereit ist, in die Rolle eines Protagonisten zu schlüpfen. Trotz des sehr großen Orchesterapparates wirkt die Komposition nie massiv oder überladen, alles bleibt transparent und differenziert orchestriert. Das Fagott kommt, um wieder mit dem Musiktheater zu sprechen, mehr rezitativisch als ariös zur Geltung. Müller-Wieland lässt das Instrument oft in die Weite rufen, daher auch der Titel der Komposition, der allerdings ausdrücklich nicht religiös zu verstehen sei. Elemente unterschiedlicher Tänze sowie ein umfangreicher Percussion-Apparat bestimmen weiter den Charakter des Werkes, das sehr freundliche Aufnahme beim Publikum erfuhr.
Chefdirigent Andrew Manze hatte sich mit hör- und sichtbarer Akribie auf diese Uraufführung vorbereitet. Genauso viel Aufmerksamkeit hat der britische Dirigent Bruckners siebter Sinfonie gewidmet, die nach der Pause erklang. Verglichen mit anderen Sinfonien des Österreichers ist die siebte sicher weniger reich an den für Brucker so typischen abrupten Wechseln von Dynamik und Motivik. Die Kraft der siebten liegt vielmehr darin, dass sich in allen Sätzen die motivischen Keimzellen mit großer Ruhe und Konzentration weiterentwickeln. Das erreicht zweifelsohne im zweiten Satz und der grandiosen Steigerung, auf die er zuläuft und in der er sich entlädt, seinen Höhepunkt.
Andrew Manze entwickelte Bruckners siebte mit genau der aus der Ruhe gewonnenen Kraft. die das Werk braucht. Er modellierte thematische Entwicklungen, An- und Abschwellen unterschiedlichster Intensitäten und die überwiegend dunklen, ebenso feierlichen wie düsteren instrumentalen Farben mit größtmöglicher Hingabe an die Erhabenheit dieser Musik. Die NDR Radiophilharmonie folgte den Vorgaben ihres Chefdirigenten mit bemerkenswerter Präzision und sattem, sich weit verströmendem Klang in allen Instrumentengruppen.
Christian Schütte