Wiedersehen mit Bruckner
Eivind Gullberg Jensen dirigierte die NDR Radiophilharmonie Hannover
Fast zehn Jahre nach Ende seiner Zeit als Chefdirigent der NDR Radiophilharmonie in Hannover gab es nun ein Wiedersehen mit Eivind Gullberg Jensen. Der norwegische Dirigent, aktuell u.a. Chefdirigent der Oper in Bergen, leistete mit seinem Programm zudem einen weiteren Beitrag zum Bruckner-Jubiläumsjahr. Seine Lesart der siebten Sinfonie wird dem hannoverschen Publikum sicher im Gedächtnis bleiben.
Bruckners wuchtige, massive Klangeruptionen zu koordinieren, in einer guten Balance zu halten und dabei nicht die Transparenz der Instrumentalfarben zu verlieren, ist eine große Herausforderung für jeden Dirigenten. Gullberg Jensen ist das an diesem Abend eindrucksvoll gelungen. Dieser Bruckner war eruptiv, intensiv, üppig, jedoch zu keinem Zeitpunkt gefährdet, aus dem Ruder zu laufen. Was die Radiophilharmonie den präzisen Vorgaben Gullberg Jensens an Flexibilität und klanglichen Schattierungen entgegenzusetzen wusste, war hochkonzentriert und voller Spannung. Ein überwiegend weicher, runder Klang, in Schärfe changierend da, wo nötig, genauso wie ganz zart und kammermusikalisch, wo es gefordert ist – denn auch das gibt es in der siebten.
Während der Arbeit an dieser Sinfonie erreichte Bruckner die Nachricht vom Tode Richard Wagners, weswegen er als Ehrerbietung die auf Wagners speziellen Wunsch für den Ring konstruierten Tuben verwendete. Der Bläserapparat wird dadurch massiver als in anderen seiner sinfonischen Werke, doch auch hier gelang es Gullberg Jensen, trotz aller Wuchtigkeit stets Ausgeglichenheit zwischen den Orchestergruppen zu wahren und insgesamt einen sogar recht eleganten Bruckner zu dirigieren.
Bruckners Art, mit dem Orchester umzugehen, orchestrale Farben einzusetzen, ist von einigen Experten als “Registrieren des Orchesters” bezeichnet worden. Damit ist die Nähe zur Orgel intendiert, und insofern passte die Kombination mit Poulencs Konzert für Orgel, Streicher und Pauke im ersten Teil des Abends sehr gut. Christian Schmitt spielte den Orgelpart voller Virtuosität und Vitalität. Orgel und Orchester treibt Poulenc durch ein ständiges Wechselspiel der Rhythmen und Stimmungen, der Klangfarben und Tempi. Eivind Gullberg Jensen brachte diese Fülle an Ideen und die so ungewöhnliche Instrumentenkombination auf den Punkt genau zusammen.
Einziger kleiner Wermutstropfen: Der Klang einer digitalen Orgel kann den einer traditionellen nicht ersetzen, vieles klingt zu steril, zu “richtig”. Freilich ist in einem Saal ohne eingebaute Konzertorgel eine andere Lösung kaum möglich. Und es tat dem insgesamt großartigen Abend auch keinerlei Abbruch.
Intensiver Applaus im so gut wie ausverkauften Großen Sendesaal des NDR in Hannover.