Marco Berti, Alexandra Kurzak, im Hintergrund die Dirigentin Kerri-Lynne Wilson. Foto: Youtube
HANNOVER: Der Bajazzo / Cavalleria rusticana beim NDR Klassik Open Air in Hannover am 13. Juli 2019
Seit 2014 hat sich das NDR Klassik Open Air vor dem Neuen Rathaus in Hannover zu einer festen Größe des sommerlichen Kulturlebens entwickelt. Auch wenn die Zahl der Besucher in diesem Jahr, wetterbedingt, mit 25.000 – davon die meisten im angrenzenden Maschpark vor zwei großen Leinwänden – geringer ausgefallen ist, der Erfolg bleibt ungebrochen. Das Programm für das kommende Jahr, und damit die siebte Ausgabe, steht schon fest, es wird Carmen geben; noch nicht sicher dagegen ist, ob das Projekt darüber hinaus eine Fortsetzung finden wird. Es wäre schade wenn nicht, die Atmosphäre ist wunderbar und, vor allem, die Güte der Aufführungen unbedingt erlebenswert.
In diesem Jahr standen nun für die sechste Ausgabe des Open-Air-Events Der Bajazzo und Cavalleria rusticana auf dem Programm, in genau dieser Reihenfolge. Wie bereits in den vergangenen Jahren gab es auch jetzt wieder den Versuch, auf dem begrenzten Raum und ohne technische Möglichkeiten eine halbszenische Aufführung zu geben, für die Michael Valentin verantwortlich zeichnete. Doch der wenigen szenischen Andeutungen hätte es gar nicht bedurft. Keri-Lynn Wilson, bereits zum vierten Mal bei dieser Gelegenheit am Pult der NDR Radiophilharmonie, baute über beide Stücke einen großen, packenden Spannungsbogen mit viel Sinn für dramatische Höhepunkte. Die Radiophilharmonie, für die Oper ein Ausnahme-Terrain bleibt, folgte ihr hochkonzentriert und mit leidenschaftlicher Spiellaune für den emotional aufgeladenen Verismo. Das klang durchweg nicht nur schön, sondern hatte großes Format.
Unter den Solisten waren es an erster Stelle Marco Berti als Canio und Turiddu sowie Claudio Sgura als Tonio und Alfio, die dem Abend das herausragende vokale Niveau gaben. Berti verfügt über eine in Farbe und Klangkultur perfekte Stimme für dieses Repertoire und verlieh beiden Partien, mit denen er ja bereits an vielen großen Bühnen Erfahrungen sammeln konnte, überzeugende Statur. Claudio Sgura, ebenfalls ein international erfahrener Verismo-Sänger, hat einen so runden und durchschlagenden, dabei tief dunkel und sehr facettenreich gefärbten Bariton, dass er eine kongeniale Ergänzung zu Mario Bertis Tenor war.
Großes Format zeigte auch Liudmyla Monastyrska als Santuzza, die ihren dunkel timbrierten, glutvoll gefärbten und großes dramatisches Potenzial aufweisenden Sopran für ein ergreifendes Rollenporträt nutzen konnte. Mit genau der adäquaten Balance aus Leichtigkeit und zupackender Gestik sang Aleksandra Kurzak eine verführerische Nedda.
Auch die übrigen Partien waren auf höchstem Niveau besetzt. Aufhorchen ließ mit kernigem, kraftvollem Bariton Andrzej Filonczyk als Silvio. Xabier Anduaga gab mit leichtem, ausgesprochen präzisem Tenor den Beppo, Veta Pilipenko mit schönem, lyrischem Mezzo die Lola. Tichina Vaughn schließlich wertete mit ihrem dramatischen Alt die Mamma Lucia erheblich auf.
In dieses Ensemble fügten sich die Chöre, bestehend aus Mitgliedern des Mädchenchors und des Johannes-Brahms-Chors sowie des Staatsopernchors, nahtlos ein.
Ein musikalisch großer Opernabend war das, der seine Erfüllung noch darin fand, dass er, im Gegensatz zur ersten Aufführung am Donnerstag zuvor, ohne Regen zu Ende gehen konnte. Viel begeisterter Applaus.
Christian Schütte