Monumentales Klangereignis zum Auftakt: Bruckners Achte begeistert in Hanau
Jens Troester. Foto: Felix Bender
Mit einem imposanten Auftakt startete die Neue Philharmonie Frankfurt am 12. Oktober 2024 in die neue Spielzeit ihrer „Congress Park Sinfonie“-Reihe. Anlass des Abends war das 200. Geburtsjahr von Anton Bruckner, dessen achte Sinfonie in c-Moll auf dem Programm stand. Unter der Leitung des Chefdirigenten Jens Troester präsentierte das Orchester dieses gigantische Werk in seiner bislang größten Besetzung und ließ das Publikum im nahezu ausverkauften Congress Park Hanau in die Tiefen und Weiten von Bruckners Klangwelten eintauchen.
Anton Bruckners achte Sinfonie, oft als seine „Apokalyptische“ bezeichnet, gilt als Höhepunkt seines Schaffens und wurde 1892, nach mehreren Umarbeitungen, von den Wiener Philharmonikern uraufgeführt. Das Werk, das in vier ausladenden Sätzen eine epische Reise durch menschliche Emotionen und metaphysische Gedankenwelten unternimmt, ist ein eindrucksvolles Zeugnis von Bruckners einzigartiger Klangsprache. Trotz ihrer monumentalen Länge und Komplexität bleibt die achte Sinfonie stets klar strukturiert und zugänglich. Ihre Uraufführung beschrieb der Komponist Hugo Wolf als „die Schöpfung eines Giganten“ – ein Urteil, dem auch die Hanauer Aufführung eindrucksvoll gerecht wurde.
Im ersten Satz nahm das Orchester das Publikum majestätisch mit auf eine Reise durch die Klanglandschaften Bruckners, mit wuchtigen Themen, die von den Blechbläsern in edler und üppiger Weise intoniert wurden. Der majestätische Klang der Hörner, Trompeten und Posaunen verlieh dem Satz eine tiefe Schwere, ohne dabei an Transparenz zu verlieren. Markante Pausen und die sanfte Dynamik boten den Zuhörern Raum zum Innehalten, bevor sich das Thema in wellenartigen Klangbewegungen entfalten konnte. Die Streicher setzten von Anfang an auf einen samtigen, tiefen Klang, während die Holzbläser mit ihrem feinen, durchdringenden Ton subtile Farben hinzufügten. Die orchestrale Wucht wurde hier nicht erdrückend, sondern blieb stets von einer leichten Transparenz durchzogen – ein beeindruckendes Gleichgewicht zwischen Größe und Detail.
Das Scherzo präsentierte sich im zweiten Satz voller rhythmischer Energie. Die flirrenden Streicherfiguren, die wie ein unaufhörlicher Fluss durch das Orchester strömten, standen im lebendigen Dialog mit den pointierten Einsätzen der Blechbläser, die sicher und mit voller Klangkraft spielten. Die Pauken verliehen dem Satz einen kraftvollen Puls, der durch präzise Akzente das Geschehen dramatisch unterstrich. Ein großer Kontrast entstand durch das besonders beruhigende Trio, in dem sich ein lyrisches Thema entfaltet, und somit ein feiner Gegensatz zur treibenden Hauptfigur des Scherzos entstand.
Im Adagio, dem Herzstück der Sinfonie, erreichte die Darbietung ihren emotionalen Höhepunkt. Das Orchester zeichnete die meditative Ruhe des Satzbeginns feinfühlig nach und steigerte sich allmählich zu einem gewaltigen, fast metaphysischen Klangrausch. Die aufbrausenden Harfen, das dramatische Aufeinandertreffen von Becken und Triangel sowie die aufsteigende Dramatik ließen den Satz in seiner ganzen Pracht erstrahlen. Troester hielt die Tempi bewusst langsam, doch niemals stockend – eine sehr persönliche Lesart, die den Spannungsbogen meisterlich bis zum Ende aufrechterhielt.
Der Finalsatz, in dem Bruckner alle vorherigen Themen kunstvoll übereinander schichtet, bildete den gewaltigen Abschluss dieses fast 90-minütigen Klangereignisses. Die zackige Prägnanz des Eingangsrhythmus, der fast wie eine reitende Kavallerie wirkte, zog das Publikum sofort in seinen Bann. Jens Troester dirigierte mit präziser Zeichengebung und schuf dabei einen majestätischen Gesamtklang, der die Zuhörer förmlich in die Sitze drückte. Hier entfaltete sich die ganze Macht der Blechbläser, die – unterstützt von der markanten Pauke und den übrigen Spielgruppen – das Werk in triumphaler Größe beendeten.
Die Neue Philharmonie Frankfurt brillierte in allen Instrumentengruppen. Die Streicher überzeugten mit ihrem vollen, warmen Klang, der sowohl in den filigranen als auch in den üppigen Passagen fein abgestuft war. Mit großer Leidenschaft spielten die Holzbläser und präsentierten insbesondere im Scherzo mit ihren melodiösen Einsätzen feinste Nuancen. Die Blechbläser traten, wie schon im ersten Satz, immer wieder majestätisch hervor, klanglich ausgewogen und konditionsstark. Trotz der anspruchsvollen Partien zeigten sie bis zum Schluss Ausdauer und Souveränität. Die Pauke war der dynamische Impulsgeber, und die dynamische Balance des gesamten Orchesters war herausragend. Der Gesamtklang blieb stets homogen, die Tempi langsam, aber niemals zäh, sodass die fast 90 Minuten wie im Fluge vergingen.
Chefdirigent Jens Troester war an diesem Abend der Fels in der Brandung. Seine klare und entschlossene Zeichengebung gab dem Orchester maximale Sicherheit, während seine erzählerische Kraft und seine imposante Interpretation Bruckners Achte zu einem riesenhaften Erlebnis werden ließen. Troester verstand es meisterlich, die gewaltigen Dimensionen des Werks zu beherrschen und zugleich feinste Details herauszuarbeiten – eine wahrlich majestätische Darbietung, die ihn als großen Dirigenten auszeichnet.
Das Publikum lauschte in gespannter Stille und war offensichtlich tief berührt von der Aufführung. Nach dem letzten Akkord entlud sich Begeisterung, bevor der Saal in ausdauernde, stehende Huldigungen ausbrach. Die Neue Philharmonie Frankfurt unter Jens Troester hat mit diesem Konzert eine Sternstunde geschaffen, die Bruckners gewaltiger achter Sinfonie voll gerecht wurde.
Dieser Abend war ein triumphaler Start in die neue Saison der „Congress Park Sinfonie“-Reihe. Die Neue Philharmonie Frankfurt und Jens Troester setzten mit Bruckners achter Sinfonie ein überdeutliches musikalisches Ausrufezeichen, das noch lange in den Köpfen der Zuhörer nachhallen wird. Ein glanzvolles Ereignis, das die Größe und Tiefe der Bruckner-Musik in all ihrer Pracht erlebbar machte.
Dirk Schauß, 13. Oktober 2024
Besuchtes Konzert am 12. Oktober 2024 im Congress Park Hanau
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 8 c-moll (Fassung von 1890)
Neue Philharmonie Frankfurt
Jens Tröster, musikalische Leitung
Copyright: Foto by Felix Bender