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HAMBURG/ Staatsoper: LOHENGRIN

27.12.2019 | Oper

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Foto: Arno Declair/ Hamburgische Staatsoper

Lohengrin – Hamburgische Staatsoper, 26.12.2019

Es sind nicht nur musikinteressierte oder auch musikbegeisterte Laien, die die Instrumentierung von Wagners „Lohengrin“ immer wieder mit der von Verdis „Aida“ vergleichen. Zugegeben, die hohen und flirrenden Violinen verlocken zu diesem Vergleich und gleichermaßen auch die Herausforderungen an die solistischen Trompeten. Aber wie so viele Vergleiche, ist auch dieser an den Haaren herbei gezogen.

Und dennoch musste ich gestern Abend in der Hamburgischen Staatsoper immer wieder daran denken, denn so fein gesponnen, wie unter der Leitung von Kent Nagano, habe ich bei „Lohengrin“ schon lange kein Orchester spielen gehört. Mit kleinsten Gesten führt er die Musiker und gibt den Sänger, Solisten wie Chor, präzise ihre Einsätze. Den einmal aufgebauten großen Bogen können die Musiker unter der Leitung ihres GMD den ganzen Abend durchziehen. Bedauerlich, dass die hauchzarten Piani im Vorspiel zum ersten Akt durch zahllose ungezügelte Hustenattacken zerstört werden.

Die Inszenierung von Peter Konwitschny hatte im Jänner 1998 die Premiere, unumstritten ist sie auch in der gestrigen 46. Aufführung noch immer nicht. Und ja, wer sich einen Ritter mit Helm und Rüstung, ein wortwörtliches Ufer der Schelde oder traditionelle Heerscharen erwartet, der sollte den Besuch dieser Inszenierung in der Tat meiden. Konwitschny bürstet das Libretto gegen den Strich, seziert den Text und sucht nach Inhalten und Hintergründen. Das Ergebnis, bis auf das letzte Bild spielen alle Szenen in einer Schulklasse, muss traditionsbewussten Wagnerianern nicht zusagen. Wer aber bereit ist, sich auf das Konzept ohne Vorurteile und Vorbehalte einzulassen, erlebt einen spannenden Opernabend.

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Simone Schneider, Tanja Ariane Baumgartner und Wolfgang Koch. Foto: Arno Declair

Das gelingt vor allem auch dank zumeist ausgezeichneter Singschauspieler. Dass bei der Intensität der Interpretation, da und dort und manchmal die Schönheit des Gesanges leidet, stört vielleicht Puristen. Über die Stimme von Klaus Florian Vogt lässt sich wohl stundenlang diskutieren, vielleicht auch streiten. Er ist ganz sicher kein Sänger in der Tradition eines Max Lorenz und es fehlt ihm am Volumen eines Hans Beirer; und im ersten Akt wirkte er an diesem Abend auch uneingesungen. Was er aber im 3.Akt bot, das war eine annähernd perfekte wagnersche Italianita. Im Duett mit Elsa und abschließend in der Gralserzählung entspricht sein helles Timbre ideal. Nicht ganz glücklich werden konnte man mit der Elsa von Simone Schneider, vor allem wegen ihrer scharfen Höhen. Aber wie sie die mädchenhafte Figur umsetzt, das zeigt hohe Qualität. Als Heerrufer überzeugt Andrzej Dobber in jeder Phase; Christof Fischesser ist ein blasser König Heinrich, was nicht nur an der Inszenierung liegt. Absolut rollendeckend besetzt mit Mitgliedern des Opernstudios sind die vier Edlen; als vier Edeldamen dürfen sich vier Chorsolistinnen beweisen.

Mit voller Absicht stehen Ortrud und Telramund erst an dieser Stelle des Berichtes. Diesem Paar gebührt an diesem Abend ohne wenn und aber die Krone. Warum Tanja Ariane Baumgartner an der Wiener Staatsoper bisher nur ein einziges Mal (als Einspringerin als Brangäne) auftreten konnte, ist eines jener Rätsel, deren Lösung wohl nur die Direktion weiß. Ihr Rollendebut als Ortrud hat sie vor ein paar Jahren in dieser Inszenierung gegeben und hat sie zwischenzeitlich in jeder Weise perfektioniert. Man kann es kaum anders formulieren – ihre Ortrud ist eine in Wort und Ton übereinstimmend wahrhaftige Interpretation der Rolle. Eine Idealbesetzung für den Telramund ist Wolfgang Koch. Getriebener Intrigant und Bösewicht einerseits, vom Schicksal getroffener andererseits – in (schauspielerischem) Ausdruck und nuancenreicher Stimme setzt er alle Facetten der Partie um. Es hieße Eulen nach Athen tragen, seine Vorzüge weiter auszubreiten.

In Bachs „Weihnachtsoratorium“ in der Choreographie von John Neumeier am Tag davor konnten weder Chor noch Orchester wirklich überzeugen. Welch hervorragende Musiker in diesen beiden Gruppen singen und spielen, stellten sie bei „Lohengrin“ unter Beweis. Und auch, dass sie im wahrsten Sinn des Wortes jedem Fingerzeichen ihres GMD folgen.

Wer sagt, dass die Hamburger kühl reagieren ? Schon bei den Vorhängen nach dem 1. und 2. Akt und noch mehr beim Schlussapplaus fühlte ich mich in ein Popkonzert versetzt. Beifallsstürme und Bravorufe kennt der Opernbesucher aus Wien, auch begeistertes Getrample ist nicht mehr ganz fremd. Aber jubelndes Gekreische und Johlen aus dem Mund von Menschen, die das Teenageralter sichtlich einige Zeit hinter sich gelassen haben, hat der Chronist noch nicht erlebt. Und in Summe war der Jubel überaus berechtigt.

Michael Koling

 

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