Hamburgische Staatsoper, 29. Dezember 2019: LOHENGRIN
Kult-Lohengrin
Peter Konwitschnys Lohengrin-Inszenierung an der Hamburgischen Staatsoper hatte im Januar 1998 Premiere und ist, trotz aller Umstrittenheit, bald zu einer Kult-Aufführung geworden. Sicher, es gibt Details, über die ließe sich diskutieren, wie immer. Aber es ist schon sehr bemerkenswert, wie vital und dynamisch die Inszenierung auch fast 22 Jahre nach der Premiere noch wirkt. Das Konzept, Lohengrin in einem Klassenraum spielen zu lassen und alle Beteiligten, außer dem Titelhelden, zu Schülern zu machen, die vielen Augenzwinkern und humorvollen Einfälle Konwitschnys, das alles kann bis heute überzeugen. Die Inszenierung ist ungewöhnlich, ja, aber sie ist durchdacht, nichts dem Zufall überlassen und, bei aller vermeintlichen Lustigkeit, sehr ernsthaft. Es bekommt dem Lohengrin sehr gut, ihn nicht ganz so hehr und schwer anzugehen und ihn dabei gleichwohl ernst zu nehmen. Die Hamburgische Staatsoper tat ein Gutes daran, diese Wiederaufnahme für vier Vorstellungen anzusetzen. Der Besuch spricht für sich, das Publikum möchte die Inszenierung nach wie vor sehen.
Doch das allein würde kaum genügen, hätte diese Wiederaufnahme musikalisch beinahe wunschlos glücklich gemacht. Das Philharmonische Staatsorchester unter seinem Generalmusikdirektor Kent Nagano spielte klar, transparent, sehr konzentriert, mit schönsten Klangfarben in allen Instrumentengruppen; Kent Nagano war der Bühne ein überaus aufmerksamer Begleiter, ließ es an emotionalen, kraftvollen Höhepunkten nicht mangeln und sorgte insbesondere im Vorspiel zum ersten Akt für genau den silbrig-leichten Klang, den diese Musik braucht.
Auf der Bühne stand ein auserlesenes Solistenensemble, an dessen Spitze ohne Zweifel Klaus Forian Vogt in der Titelpartie zu nennen ist. Hell und klar, ohne jede Anstrengung, mit durchaus dramatischer Durchschlagskraft genauso wie absoluter Tragfähigkeit bis ins äußerste Piano, zeigte er einmal mehr eine exemplarische Darstellung der Partie, die in dieser Form ihresgleichen suchen dürfte. Lohengrin ist sicher eine der unmännlichsten, ätherischsten Tenorpartien, und wie Vogt sie mit seiner Stimme erfüllt, ist nach wie vor mit jedem Ton glaubwürdig. Ihm zur Seite war Simone Schneider Elsa, ihr klar fokussierter Sopran wunderbar rund und warm geführt. Mit durchdringendem Strahl betonte sie die dramatischen Seiten der Partie sehr effektvoll. Besonders gelungen war ihr Zusammenspiel mit Tanja Ariane Baumgartner als Ortrud. Die Mezzosopranistin ist wie geschaffen für diese Inszenierung und erfüllte die böse Gegenspielerin mit den dunkel-glutvollen Farben ihrer Stimme, der sie an entscheidenden Punkten hochdramatische Gesten abgewinnen konnte, ohne die klare Linie ihres Gesanges zu verlassen.
Wolfgang Koch fand eine differenzierte Bandbreite an Farben und Emotionen für den Telramund, sein recht hell gefärbter, durchdringender Bariton findet in der Partie sicher eine der idealsten. Christof Fischesser ließ sich vor der Vorstellung zwar als indisponiert ansagen, konnte dem König aber dennoch Statur, Autorität und klangliche Noblesse verleihen. Andrzej Dobber sang die Stichworte des Heerrufers imposant und durchdringend. Die übrigen Partien sowie der Staatsopernchor schließlich, einstudiert von Eberhard Friedrich, waren zusammen ein mehr als stattliches Kollektiv.
Begeisterter Beifall und etliche Bravos für einen Repertoire-Klassiker der Hamburgischen Staatsoper. Mögen ihm noch weitere Wiederaufnahmen beschert sein.
Christian Schütte