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HAMBURG/ Staatsoper: FALSTAFF

03.10.2025 | Oper international

HAMBURG/Staatsoper: FALSTAFF – 2.10.2025

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Foto: Youtube-Video

Während sein regieführender Intendantenkollege in Wien, Stefan Herheim, nur selbst konzipierte Stücke verantworten muss, übernimmt Tobias Kratzer in Hamburg ein Repertoirehaus. Willkommen im Alltag. Das zentnerschwere Spielzeitbuch ist nicht mehr ganz aktuell. Redaktionsschluss Ende Jänner 2025. Inzwischen hat der Ballettchef Demis Volpi das Trio verlassen. Und Kratzer und sein Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber haben die Eröffnungswoche ihrer Intendanz gut überstanden. Doch der Zauber jeden Anfangs, wie kann er erhalten bleiben? Zugangsbarrieren abbauen – jeder ist willkommen, keine Bekleidungsvorschriften. Preispolitik – durchwachsen, auch in einer reichen Hansestadt kann sich nicht jede und jeder einen Sitzplatz leisten. Viele Aboangebote, aber keine Theatertage, wie etwa in Zürich.

Erste Repertoirevorstellung: Falstaff in der Inszenierung von Calixto Bieto aus dem Jahr 2020. Die Regie mag wohl durchaus den Vorstellungen des Theaterleiters Kratzer entsprechen, die Massen wie in den letzten Tagen hat es nicht angezogen. Dabei hat er sich auch etwas Spezielles ausgedacht: „framing the repertoire“ nennt er es. Im Haus sind junge Menschen im hellen Freizeitlook ansprechbar. Vor und nach der Vorstellung, sowie in den Pausen kann man sich mit ihnen unterhalten, Fragen stellen über das Gesehene, man will ins Gespräch kommen. Oper nicht nur als Kunstgenuss, sondern was hat das auf der Bühne mit uns, der Gesellschaft zu tun, kann sie uns heute noch etwas vermitteln. Überhaupt einfach macht es uns, dem Publikum, Kratzer nicht. Seine Premiere sind weit entfernt von den Blockbustern der Opernliteratur. Der Spagat von Publikumsandrang einerseits und Auseinandersetzung mit unseren Problemen andererseits muss erst mal aufgehen.

Die Regiearbeit Bietos zeigt recht gut, wie die Gesellschaft mit unangepassten Individuen umgeht. Der genussfreudige Falstaff lernt seine Lektion, aber auch die breite Masse muss etwas einstecken. „Fette Steuern für fette Leute“ ist dann auch der größte Lacher des Abends. Die spielfreudigen Sängerinnen und Sänger haben die Abläufe penibel geprobt auch wenn das Feuerzeug versagt, um die identischen Liebesbriefe Sir Johns zu versengen. Unzählige Sektflaschen werden verspritzt und am feuchtem und mit Scherben übersäten Bühnenboden ist die Realität nicht weit. Kein antiquierter Bühnenzauber, das was hier verhandelt wird ist unsere Welt. Gesungen wird in allen Rollen auf hohem Niveau. Valerio Galli am Pult ist bemüht die heiklen Stellen der Partitur schadlos über die Rampe zu bringen. Wolfgang Koch als Sir Falstaff und Andrii Kymach als Ford beeindrucken durch intensive stimmliche Präsenz. Elbenita Kajtazi, die in der Premierenserie noch die Nannetta gesungen hat, macht als ihre Mutter, Alice Ford, gute Figur. Während nunmehr Narea Son in der Tochterrolle stimmlich und darstellerisch überzeugt. Verdis Schlussfuge geriet Bieto dann doch etwas zu bieder.

(Otto Grubauer)

 

 

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