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HAMBURG/ Staatsoper: DON CARLOS. «Von ihro ward niemalen Liebe mir»

13.11.2023 | Oper international

Giuseppe Verdi: Don Carlos • Staatsoper Hamburg • Vorstellung: 14.11.2023

(49. Vorstellung seit der Premiere am 04.11.2001 • 2. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 11.11.2023)

«Von ihro ward niemalen Liebe mir»

Mit der Wiederaufnahme des «Don Carlos» bietet die Hamburgische Staatsoper Verdi-Genuss allerster Güte. Mehr Verdi geht fast nicht: Das Werk wird in der ergänzten Uraufführungsfassung gegeben.

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Foto © 2008 Brinkhoff/Mögenburg

Verdis «Don Carlos» gehört zu jenen Opern, bei denen sich die «Fassungsfrage» stellt und diese Frage ist hier vor allem jenseits subjektiver Empfindungen von Bedeutung. Von insgesamt sieben nachgewiesenen Fassungen sind die drei von Relevanz: die der Uraufführung vom 11. März 1867 in Paris (in französischer Sprache, die der Erstaufführung der vieraktigen Version in Mailand (10. Januar 1884 in italienischer Sprache) und die für Modena mit dem ursprünglichen ersten Akt ergänzte Mailänder Fassung (26. Dezember 1886, ebenfalls in italienischer Sprache). Da die Texte der italienischen Fassungen jeweils erst nach der Komposition aus dem Französischen ins Italienische übersetzt wurden, sind die Fassungen in französischer Sprache auf Grund ihrer sprachlichen Qualität zu bevorzugen. So ist das französische «Elle ne m’aime pas» mit «Sie liebt mich nicht» zu übersetzen, das Italienische «Ella giammai m’amo» hingegen mit «Von ihro ward niemalen Liebe mir». Die korrekte Übersetzung des Französischen ins Italienische, «Non m’ama», kommt nicht in Frage, weil 6 Silben nicht durch drei ersetzt werden können. Solche Sinnentstellungen wie rein rhythmische Probleme kommen zuhauf vor. Die Fassungsfrage ist zudem ein Entscheid zwischen Idee und Realität, zwischen Wunsch und Wirklichkeit, denn die französische Fassungen sind, trotz der schon vor der Uraufführung erfolgten Striche vollgültige Grand Opera, wohingegen den italienischen Fassungen, auch um dem Theateralltag gerecht zu werden, wesentliche Elemente (wie zum Beispiel das Ballett) fehlen. Es fehlt der ganze erste Akt und damit die Entstehung der später so problematischen Liebe. Die italienischen Fassungen nivellieren die Kontraste und enthalten im musikalischen Material neue Färbungen und Gewichtungen. Die siebzehn (neunzehn Jahre) sind an Verdis Schaffen nicht spurlos vorübergegangen. Positiv zu vermerken ist, das hier in Hamburg neben der häufig nicht gespielten Ballettmusik weitere, von Verdi bereits vor der Uraufführung gestrichene Passagen gespielt werden.

Dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg gelingt es vorzüglich die Instrumentierungskunst Verdis und die Frische der Partitur herauszustreichen. Leo Hussain hat das Geschehen fest im Griff und verleiht dem Abend Struktur und Profil. Die intimen Szenen und die grossen Tableaus stehen in idealem Kontrast zueinander, die Tempi sind ideal gewählt. Eberhard Friedrich hat den Chor der Hamburgischen Staatsoper und den Extrachor der Hamburgischen Staatsoper bestens vorbereitet. Alle Beteiligten sind mit grosser Leidenschaft und Spielfreude am Werk.

Alexander Vinogradov gibt mit seinem bekannt satten, vollmundigen Bass einen Philippe II, der keine Wünsche offenlässt. Liang Li als Le Grand Inquisiteur ist ihm in seiner grossen Szene ein würdiger Partner. Russell Thomas ist ein stimmlich prägnanter (schier endloser Atem), szenisch eher diskreter Don Carlos. Kartal Karagedik ist, szenisch gebändigt, ein ihm ebenbürtiger Rodrigue. Nino Machaidze als Elisabeth de Valois braucht den ersten Akt, um warm zu werden. Dann lässt das Vibrato nach und sie gibt eine tadellose Elisabeth. Die Neu-Entdeckung des Abends ist Eve Maud Hubeaux als La Princesse d’Eboli. Sie überzeugte seinerzeit schon in Bern (https://onlinemerker.com/bern-buehnen-bern-don-carlos-franz-von-g-verdi-premiere-theater-von-heute/) mit ihrer wunderbaren Stimme und enormen Bühnenpräsenz und hat diese Vorzüge seither deutlich weiterentwickelt. Tigran Martirossian als Un Moine, Yeonjoo Katharina Jang als Thibault, Carlos Cárdenas als Le Comte de Lerme und Un Héraut, Olivia Boen als Une Voix céleste, Lucija Marinkovic als La Comtesse d’Aremberg und Yue Zhu Un Bûcheron ergänzen das Ensemble. Arthur Canguçu, Eun-Seok Jang, Manos Kia, Michae Kunze, Julius Vecsey und Bernhard Weindorf geben die flämischen Gesandten.

Zu den weissen Wänden des Johannes Leiacker (Bühnenbild und Kostüme) für die Inszenierung des Peter Konwitschny ist schon viel geschrieben worden, dem keine neuen Erkenntnisse hinzuzufügen sind

So musiziert, ist der «Don Carlos» dem «Don Carlo» eindeutig vorzuziehen.

Weitere Aufführungen: So 19.11.2023, 16.00; Do 23.11.2023, 17.00; So 26.11.2023, 15.00.

18.11.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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