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HAMBURG/ Laeiszhalle: MARTHA ARGERICH FESTIVAL

29.06.2023 | Konzert/Liederabende

HAMBURG/LAEISZHALLE: MARTHA ARGERICH FESTIVAL am 25., 26. und 27.6. 2023

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Martha Argerich und Bo Skovhus. Copyright: ©Cove Nouveau.

Seit 5 Jahren veranstaltet die legendäre Pianistin Martha Argerich ihr sehr spezielles FESTIVAL statt in Lugano nunmehr in der Hamburger Laeiszhalle. Die Laeiszhalle (benannt nach dem Reeder und Mäzen Carl Friedrich Laeisz) ist das traditionelle, intime Konzerthaus der Hansestadt und wird von Zuschauern wie von Künstlern (im Gegensatz zum überdimensionierten, gigantomanischen und einschüchternden Architektenmonument Elbphilharmonie) immer noch heiß geliebt.

Das besondere an diesem 10 Tage dauernden Event ist, dass es zwar MARTHA ARGERICH FESTIVAL heisst, die göttliche Martha sich aber nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern die Bühne zum Grossteil jungen wie alten, bekannten wie unbekannten, befreundeten wie wildfremden Künstlerinnen (die sie gemeinsam mit dem Intendanten der Symphoniker Daniel Kühnel – quer durchs musikalische Gemüsebeet – auswählt) zur Verfügung stellt: Mischa Maisky, Daniel Barenboim, Maxim Vengorov, Daniil Trifonov, Gil Shaham, um nur einige zu nennen, auch indischen Musikern wie Kaushiki Chakraborty etc…

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10 forBrass. Copyright: Kiran West

In den von uns gehörten Konzerten erlebten wir zum Beispiel am Anfang „klassischerweise“ die Matriarchin am Klavier und Tedi Papavrami an der Violine mit Bachs Sonate Nr.4 und den aufstrebenden Jungstar Edgar Moreau mit einer atemlos machenden Interpretation der Violoncello Solo-Suite Nr.2. Dann kam aber erst der Clou: dann trat nämlich das, wie der Name schon sagt, 10köpfige Blechbläserensemble 10FORBRASS auf. Und sie durchbliesen im wahrsten Sinne des Wortes unsere Gehörgänge: denn so hatte man die wunderbaren Choräle „Jesus bleibet meine Freude“ und „Wachet auf ruft uns die Stimme“ wahrlich noch nie gehört. Und eigentlich würde man sie nach diesem mind-blowenden Erlebnis von nun an nur noch g e n a u soo hören wollen.

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Stephen Kovacevich. Copyright: Kiran West

Der zweite Abend (im kleinen Saal) war vielleicht nicht dermassen spektakulär, deswegen aber nicht weniger interessant: denn er war –  nach einer kammermusikalischen Version von Ludwig vans 4.Klavierkonzert – in erster Linie dem Beethoven-Spezialisten (und Argerichs Ex-Mann)  Stephen Kovacevich gewidmet. Lebenslange Beschäftigung mit dem Titanen kann halt durch nichts ersetzt werden ! Und so beschenkte uns der Altmeister nicht nur mit einem sublimen Duett

mit Sayaka Shoji (Violinsonate Nr.10) und der jenseitig schönen Klaviersonate Opus 110, sondern auch – Ironie ist ein Zeichen von Intelligenz, in der Kleinheit zeigt sich die Grösse, in einem Sandkorn findet sich die ganze Welt – mit einer kleinen, aber bezaubernden Beethovenschen Bagatelle.

Den (für uns) krönenden Abschluss bildete jedoch das dritte Konzert: da durchlitten wir zuerst mit Martha Argerich und Bo Skovhus in einer musikalischen Symbiose sondersgleichen Robert Schumanns „Dichterliebe“, und wurden dann nach der Pause völlig überraschend von der portugiesischen Sängerin Carminho buchstäblich über den Haufen gesungen.

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Carminho and Band. Copyright: ©Cove Nouveau.

Carminho (ein Künstlername, eigentlich Maria do Carmo de Carvalho Rebelo de Andrade) ist derzeit die angesagteste, aufstrebendste und erfolgreichste Fadosängerin Portugals. Als Tochter der berühmten Fadosängerin Maria Teresa da Câmara de Siqueira Archer de Carvalho in einer „Casa da Fado“ aufgewachsen, hatte sie wahrscheinlich auch nicht wirklich eine andere Wahl, obwohl sie „aus Protest“ auch für NGOs in Afrika und Asien tätig war und generell immer noch versucht, traditionellen mit „modernisiertem“ Fado harmonisch zu vereinen.

In den bisherigen Musikvideos (die man sich auf youtube ansehen kann), kommt sie bisher in erster Linie als super-coole Fado-Socke mit offen Haaren und legerer Kleidung rüber.

In diesem Konzert jedoch (Teil einer Tournee, die auch der Promotion ihres neuen Albums „Portuguesa“ dient) gibt sie sich, bis ins kleinste Detail gestylt, ganz als würdige Nachfolgerin von Fado-Grössen wie Amalia Rodriguez, Misia, Mariza, Cristina Branco und Dulce Pontes etc: streng gescheiteltes schwarzes Haar (eigentlich ist sie brünett), hochgeschlossenes, enganliegendes schwarzes Kleid, lange,schwarze Handschuhe, bleich geschminktes Gesicht mit einem einzelnen Scheinwerferspot darauf : s o und nicht anders, liebe Leute, sieht die Hohepriesterin, die schwarze Witwe, die gestrenge Göttin des Fado aus, die euch unwiderruflich in ihren Bann zieht und euch hörig macht.

Denn Carminhos in jeder Nanosekunde spürbare beseelte Musikalität machen gemeinsam mit der subtilen Virtuosität ihrer Band jeden Widerstand zwecklos.

Reservierte, kühle Hanseaten ? Von wegen ! Das Publikum lag ihr völlig verständlicherweise vollkommen zu Füssen, sprang von den Sitzen auf, jubelte, tobte und erklatschte sich frenetisch ganze drei Zugaben. Fadosucht pur.

Robert Quitta, Hamburg

 

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