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HAMBURG/Elbphilharmonie: Verwandlungen – Werke von Beethoven, Schumann, Reger und Brahms. Klavierabend mit Mathias Weber im Rahmen des 7. Érard-Festivals Hamburg

07.10.2023 | Konzert/Liederabende

HAMBURG/Elbphilharmonie: Verwandlungen – Werke von Beethoven, Schumann, Reger und Brahms. Klavierabend mit Mathias Weber im Rahmen des 7. Érard-Festivals Hamburg

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Mathias Weber. Foto: Birgit Hümpel

Hamburg/Kleiner Saal der Elbphilharmonie:

Ludwig van Beethoven: Sonate e-moll Op. 90

Robert Schumann: Etudes symphoniques Op. 13

Max Reger: Aus Aräume am Kamin, Studie Op 143 Nr. 12

Johannes Brahms: Variationen über ein Thema von Händel Opus 24

Mathias Weber auf dem historischen Érard-Flügel

Der Besuch des Hamburger Érard-Festivals während der letzten Jahre hat schon einiges an Gehörbildung und Horizonterweiterung erzeugt. Vor allem, was die Potenziale der historischen Flügel aus der französischen Érard-Manufaktur anbelangt. Pianist (und Festival-Kurator) Mathias Weber spielt dieses Instrument nach eigenem Bekunden aus dem Heute heraus – und deswegen klingen Werke bevorzugt aus Klassik und Romantik in Mathias Weber Spielart auf dem Érard-Flügel so hellwach und glasklar. Ein Solo-Klavierabend mit Matthias Weber war hier mal wieder überfällig und krönte die diesjährige Festival-Ausgabe, die erstmalig auch einen Meisterkurs mit einschloss.

Variationen sind das Thema des Abends im gut besuchten Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Schon der Einstieg ins Programm überrascht: Beethovens Sonate e-Moll Opus 90 gebärdet sich „Beethoven-typisch“ grenzgängerisch. Aber: Beethovens Lust auf Regel-Überschreitungen vollzieht sich hier ganz spielerisch und anmutig. Die Melodie des Ursprungsthemas lebt immer wieder, ja gewinnt sogar noch an Pracht in Beethovens eigenwilligem Koordinatenysstem der Möglichkeiten. Mathias Webers tief blickendes, zugleich luftiges Spiel weitet den Blick auf Beethovens Sinn für ausgewogene Proportionen selbst im größten formalen Wagnis. Damit verglichen sind Robert Schumanns Études Symphoniques Op. 13 ein echter, auch kräftemäßig fordernder Koloss. Hier zeigt der Érard sein mächtiges Potenzial, das aber unter Mathias Webers Händen immer kultiviert bleibt. Jedes kleinste Klangdetail wirkt klar definiert, was unter anderem auch den komplett parallel gespannten Saiten im Érard zu verdanken ist, während Steinway und co. mit ihrer überkreuz angelegten Saitenarchitektur zu viel „fetteren“ Mischklängen neigt und dafür auch beliebt ist. Zwölfmal bietet Schumann ganz neue Verfahren auf, in denen es facettenreich und filigran aufblitzt, eben so wie dunkle Klangmassen gerade in den tiefen Registern die Hintergründe schwärzen. Zugleich blitzt immer wieder ein funkelnder Reichtum an Obertönen auf, der sich wie feiner Gischtnebel über die schweren Wellen der tiefen Register legt. Musikalische Strukturen auf diesem Instrument so facettenreich lebendig machen, kann wohl kaum sonst jemand so wie Mathias Weber.

Der zweite Programmteil folgte einer ähnlichen Dramaturgie. Das zwölfte Stück aus Max Regers Studie „Träume am Kamin“ opus 24 gibt Luft zum Durchatmen und bereichert den Konzertabend mit wärmender Atmosphäre, in der manchmal schon jazzige Farbtupfer aufblitzen. In Zeiten vieler Konventionen, die im 19. Jahrhundert noch galten, wurden Variationen nur zu gern als befreite Spielwiese der Komponisten geschätzt. Auch von Johannes Brahms, der hier mal wieder noch „größer“ als alle Kollegen und Vorgänger denkt. Sein Variationenzyklus über ein Thema von Händel opus 24 verhält sich zwar deutlich formstrenger als die viel assoziativeren Schumann-Etuden, aber dennoch werden hier alle denkbaren Möglichkeiten und Energielevels in nicht weniger als 25 Versuchsanordungen ausgereizt. Mathias Weber ließ sich hineinziehen in diesen mächtigen Strom, um schließlich in der riesigen Schlussfuge die Zielgerade zu erreichen. Zugegeben: Dieses Programm forderte auch dem Publikum viel Konzentration ab. Wie mucksmäuschenstill es in den Zuschauer-Rängen war, belegt die hohe Bereitschaft dafür – und die sich danach in enthusiastischem Applaus mit vielen Bravo-Rufen umso mehr Luft verschaffte. Wie Mathias Weber nach der zurückliegenden Tour de Force noch Energie für nicht weniger als vier (!) Zugabenstücke hatte, mochte man sich danach staunend fragen.

Das siebte Érard-Festival geht am 27.10 in der Blankeneser Kirche in sein Finale. Dabei geht es um die deutsch-französische Freundschaft, für die allein schon symbolisch steht, dass Mathias Weber auf dem Originalflügel, den César Franck besaß, spielt. Mit gleich mehreren Interpreten auch der jungen Generation stehen Werke von César Frank, Claude Debussy aber auch Franz Liszt, Robert Schumann, Johannes Brahms und Chopin auf dem Programm. Und weil das Érard-Festival ein deutsch-französisches Festival ist, spielt jeder Interpret des Abend jeweils das Stück eines deutschen und eines französischen Komponisten.

Stefan Pieper

 

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