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HAMBURG/ Elbphilharmonie: ABSCHLUSSKONZERT TÜRKEI-SCHWERPUNKT mit dem Turkish National Youth Philharmonic Orchestra, İlyun Bürkev und Cem Mansur

04.09.2025 | Konzert/Liederabende

HAMBURG/ Elbphilharmonie: ABSCHLUSSKONZERT TÜRKEI-SCHWERPUNKT mit dem Turkish National Youth Philharmonic Orchestra, İlyun Bürkev und Cem Mansur

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Ilyun Bürkev. Copyright: No-te

03.09.2025 | Konzert/Sinfonik

Türkischer Nachwuchs in der Elbphilharmonie: Das Finale des Schleswig-Holstein Musikfestival-Schwerpunkts „Türkei“ brachte mit der 16-jährigen Pianistin İlyun Bürkev und dem Turkish National Youth Philharmonic Orchestra unter Cem Mansur zwei Generationen zusammen. Das Programm von Britten bis Beethoven fand beim Publikum große Resonanz.

İlyun Bürkev zählt zu den interessanten Nachwuchstalenten ihrer Generation. Die am Salzburger Mozarteum bei Pavel Gililov ausgebildete Pianistin kann bereits internationale Preise vorweisen, darunter den jüngsten Sieg beim „Jeune Chopin“-Wettbewerb. Ihr Hamburger Auftritt bestätigte ihr interpretatorisches Potenzial.

Eine innige Verbindung zur Musik

Das Herzstück des Abends war Edvard Griegs Klavierkonzert in a-Moll. Bürkev interpretierte das romantische Meisterwerk mit einer emotionalen Tiefe, die vergessen ließ, was für immense spieltechnische und auch emotionale Herausforderungen dahinter stehen, und man sich fragen konnte, was diese 16-Jährige überhaupt noch dazu lernen kann. Das Geheimnis liegt wohl darin, sich hier völlig von der Emotion mitreißen zu lassen – und ja, İlyun Bürkevs Gesichtsausdruck spiegelte eine solche innige Verbindung zur Musik in jeder Sekunde wider. So geht echtes Durchleben von Musik. Der durchgehende Eindruck dabei: Ihr Klavierspiel vereint auch in den entfesselten Passagen eine kristalline Klarheit mit warmer Ausdruckskraft, die unter die Haut geht. Keine Frage, dass dies auch für die berüchtigten Oktavläufe im dritten Satz galt, denen sich die junge Solistin mit anmutiger Leichtigkeit gewachsen zeigte.

Als Zugabe spielte Bürkev ein Werk des türkischen Komponisten Adnan Saygun – die erste Etüde aus dem Zyklus „Ungewöhnliche Rhythmen“. Saygun, einer der „Türkischen Fünf“ des frühen 20. Jahrhunderts, bringt in dieser Etüde traditionelle anatolische Rhythmen mit westlicher Klaviertradition zusammen. Unter Bürkevs Händen entfaltete sich eine hypnotisch pulsierende Unruhe, in der die junge Pianistin die Töne wie orientalische Kalligrafien tanzen ließ. Das war ein magischer Schlussmoment ihres Auftritts, um nochmals die kulturelle Vielfalt des Abends in einem einzigen, brillanten Klangbild zu verdichten und selbstbewusst Farbe zu bekennen.

Zusammen mit dem hochmotivierten Turkish National Youth Philharmonic Orchestra war an diesem Abend in der Elbphilharmonie eine Begegnung auf Augenhöhe zu erleben. Hier feiert eine junge Generation das klassische Musikerbe und blickt hochmotiviert in die Zukunft. Seit 2007 tourt das Ensemble durch Europa und hat bereits in den bedeutendsten Sälen gespielt – vom Concertgebouw Amsterdam bis zum Berliner Konzerthaus. Vor allem die Ausstrahlung des Dirigenten Cem Mansur deutete darauf hin, dass hier vor allem menschliche Synergien im Spiel waren, die noch mehr wiegen als die hervorragend geleistete Arbeit, die sich in der beeindruckenden Präzision im Spiel der Großbesetzung zeigte. Da ergab es sich scheinbar wie von selbst, dass die Streicher mit ihrer hinreißend schönen Linienführung beeindruckten, dass die Bläser charaktervoll artikulierten, dass hinter der dynamischen Entfaltung des ganzen Apparates, der die Elbhi-Bühne bis zum letzten Quadratmeter ausfüllte, geballte junge Power stand. Was vor allem spürbar war – und was dieses Konzert über manche etablierte „Erwachsenen-Darbietung“ hinaushob: Die jungen Musikerinnen und Musiker – auffallend viele Frauen darunter – spielten mit einer Begeisterung und Emotion, die ansteckend wirkte.

Brücken bauen zwischen Kulturen und Generationen

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Ilyun Bürkev. Copyright: no-te

Benjamin Brittens „Four Sea Interludes“ aus der Oper „Peter Grimes“ führten einen kraftvollen, lautmalerisch bezwingenden Einstieg herbei. Das Orchester malte Brittens Meeresbilder mit großer Klangfantasie und ließ die Dynamik atmen, als würden riesige Wellen die Elphi fluten. Besonders die Sturmszenen kamen mit voller Wucht zur Geltung – ein besseres Intro zu İlyun Bürkevs Grieg-Konzert wäre definitiv nicht denkbar gewesen.

Nach der Pause überraschte der türkische Komponist Cem Esen mit seinem Werk „Sarcasm“. Der Titel ist Programm: Esen lotet hier die expressive Bandbreite des Sinfonieorchesters aus und verbindet postromantische Klangpracht mit beißender Ironie. So geht sinfonische Persiflage: Bereits das Hauptmotiv des Stückes spottet über sich selbst und über vermeintliche Konventionen. Die Streicher attackieren es in frechen Synkopen, während die Holzbläser spöttische Kommentare dazwischenwerfen, als würden sie sich über ihre eigene Ernsthaftigkeit lustig machen.

Den krönenden Abschluss bildete Beethovens berühmte Fünfte Sinfonie. Die Musiker packten das monumentale Werk mit der nötigen Kraft an, ohne in platte Effekthascherei zu verfallen. So konnten die berühmten Eröffnungsschläge eine Spannung entwickeln, die bis zum triumphalen Finale dieses großen Abends der diesjährigen Ausgabe des SHMF reichte.

Stefan Pieper

 

 

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