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HALLE: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN von Jaques Offenbach

24.02.2019 | Operette/Musical

HALLE: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN
am 23.2.2019 (Werner Häußner)

Ein bisschen was von Hortense Schneider hat sie, die Frau Kammersängerin: Romelia Lichtenstein. Im eleganten Aufputz von Kostümbildnerin Sara Kittelmann hätte sie Anno 1867 mitspielen können, als Jacques Offenbach mit seiner legendären Operettendiva während der Pariser Weltausstellung einen bis dato unerhörten Triumph auskosten konnte. Die Satire auf alles, was der hohen Politik und der staatstragenden Gesellschaft gut und teuer war, gehört musikalisch, aber auch im Hintersinn des Librettos von Henri Meilhac und Ludovic Halévy zum Besten, was aus der eifrigen Feder Offenbachs auf uns gekommen ist. Die Oper Halle leistet mit der pfiffigen Geschichte um die soldatenaffine Regentin eines imaginären deutschen Duodez-Fürstentums ihren Beitrag zur „leichten Muse“ und zugleich zum Offenbach-Jahr 2019.

Romelia Lichtenstein hat die Bühnenerfahrung, den darstellerischen Esprit und die versierte stimmliche Basis, um die Facetten dieser Herrscherinnen-Persiflage auszukosten. Ihr Auftritt wirkt, obwohl er von der Regie Annegret Hahns verschenkt wird. Die nonchalante Art, mit der sie ihre Hofschranzen düpiert, legt den nötigen Ernst auf, distanziert sich aber in der minimalen Übertreibung gleich wieder davon, seriös genommen zu werden.

Lichtenstein trifft genau die Mischung, die Offenbachs Figuren so einzigartig macht: Sie ist nie vordergründig „lustig“, setzt weder auf Kalauer noch auf Slapstick, sondern gibt die Rolle, als sei sie ein heilig-ernstes Unterfangen. Gleichzeitig sorgt sie durch Nuancen der Sprache und des Singens, durch treffend platzierte Körpersignale, durch kleine Groteskerien im Spiel dafür, dass die Rolle in sich gebrochen wird. Man spürt: Der willkürliche, durch persönliche Launen angetriebene, prinzipienlose Absolutismus, der nur die eigene Person im Fokus hat und sich rasch anpasst, wenn er eine Chance wittert, für sich einen Lust-Mehrwert herauszukitzeln, wirkt unheimlich real – aber er wird auf dem leichten Flaum der Ironie serviert und gibt dem Zuschauer die Chance, sich erleichtert und lachend zurückzulehnen. Noch einmal davongekommen!

Die Großherzogin ist also durchaus keine sympathische Figur – außer in einer intimen Szene, einem Meisterwerk des „sentimentalen“ Offenbach, in der sie sich als liebesbedürftiges Wesen offenbart, als eine Frau, die in den Kabalen und Intrigen ihres politischen Daseins vergeblich Wärme und Authentizität sucht. Das unterscheidet sie von den anderen handelnden Figuren an ihrem Hof. Denn der aufgeblasene General Bumm (Rolf Scheider) geht unbekümmert über Leichen, der intrigante Drahtzieher Baron Puck (Kristian Giesecke) wanzt sich nur zu eifrig dort an, wo er die Macht am Werke wittert, nicht nur, wenn er die Monarchin zu seinen Zwecken instrumentalisieren will. Bei Baron Grog (Frank Schilcher) und Prinz Paul (Musa Nkuna) verheddert sich die Großherzogin in ihren eigenen Plänen: Die Hochzeit mit dem ungeliebten prinzlichen Trottel zeitigt nicht das erwartete Ergebnis. Nur mühsam überspielt das Finale, dass die Operette eigentlich eine unglückliche Frau auf dem Schlachtfeld der Intrigen, Erwartungen und Enttäuschungen zurücklässt.

Seltsam, dass es so selten gelingt, „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ in einer adäquaten Inszenierung zu erleben. Annegret Hahn hatte die Idee, den Schauplatz in den Stadtrat von Halle zu verlegen: Chor, Extrachor und Statisterie treten in entsprechend von rot über grün bis schwarz markierten Fraktionen auf, im von Klemens Kühn nachgebauten Saal des Stadthauses prangen die Wappen an der Wand. Das ist weder erheiternd noch erschließen sich politische Zusammenhänge. Stattdessen sinken Figuren wie General Bumm noch unter das Niveau überlebter Operettenchargen. Von Offenbachs gefährlichem Witz, von der sarkastischen Doppeldeutigkeit der Charaktere keine Spur.

Unter Kay Stromberg spielt die Staatskapelle Halle mit wachem Sinn für die skizzenhaft-kurzatmigen Momente von Offenbachs quirliger Musik und ihren scharfen Rhythmus. Sie bringt für echte und vorgetäuschte Gefühle den sanften Esprit und die passende Phrasierung mit. Allenfalls der Hymnus auf den „Degen“ des Herrn Papa könnte einen kräftigeren Schuss falsches Pathos vertragen. Stromberg lässt den Sängern Raum, allen voran dem vom einfachen Soldaten zum General und wieder retour beförderten Fritz Alexander Gellers und seiner treuen Braut Wanda (Liudimila Lokaichuk). Beide zeigen erfreuliches sängerisches Niveau; andere bleiben dem sprachdeutlichen Artikulieren und der leichten Tonbildung mit fundierten technischen Voraussetzungen einiges schuldig. In Halle wird die „Großherzogin“ noch am 17. April und 12. Mai gezeigt; Alternativen gibt es noch in Aachen (ab 31. März, Regie: Juan Anton Rechi) und Köln (ab 9. Juni, Regie: Renaud Doucet).

Werner Häußner

 

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