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HALL/ Tirol/Stadtsaal: DIE SCHÖNE MÜLLERIN mit Martin Mitterrutzner (Tenor) und Martin Wesely (Gitarre)

03.06.2021 | Konzert/Liederabende

Hall/Tirol

„DIE SCHÖNE MÜLLERIN“ mit Martin Mitterrutzner (Tenor) und Martin Wesely (Gitarre) 2.6.2021 (Barocker Stadtsaal) – ein intimer Hochgenuß

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Martin  Mitterrutzner, tenoraler Botschafter Tirols. Foto: Uwe Arens

Das Hochgefühl nach der langen Corona-Pause Musik wieder live erleben, sie einen Raum in Schwingung bringen und erfüllen zu hören, mag bei den ersten Gelegenheiten ein Stück weit dazu führen, die künstlerische Qualität weniger streng als sonst zu beurteilen. An diesem Abend im stimmungsvollen kammermusikalischen Rahmen des Barocken Stadtsaals im historischen Stadtzentrum von Hall nahe Innsbruck stand jedoch bald fest, in welcher Güteklasse hier ein weit verbreitetes und vielfach interpretiertes Werk geboten wurde.

Da ist zunächst einmal die nur selten zu hörende Bearbeitung des ersten romantischen Liederzyklus der Musikgeschichte für Gitarre als Begleitinstrument anstatt des herkömmlichen Konzertflügels, wobei diese von Franz Schubert wohl gebilligte Variante dem damaligen Hausgebrauch wie auch dem ursprünglichen Hammerklavier klanglich näher steht.

Der spezielle Farbenreichtum wie auch der intimere Charakter des Saiteninstruments entfaltete sich an diesem Abend in bezwingender Weise. Ein Haller Gitarrenbauer hatte extra ein Instrument zur Verfügung gestellt, das 1932 in klanglichem Stil und Tradition der Instrumente der Schubert-Zeit gefertigt worden war.

Der Einsatz der Gitarre bietet der Singstimme weitreichendere Möglichkeiten zur Nuancierung und Setzung von Akzenten und gewährt obendrein die idealere Balance zwischen vokaler und instrumentaler Äußerung.

Der in Hall geborene und auch über seine anfängliche Ensemblezugehörigkeit zum Tiroler Landestheater seiner Heimat eng verbunden gebliebene Tenor Martin Mitterrutzner präsentierte sich nach vielen internationalen Auftritten in renommierten Opernhäusern und Konzertsälen sowie bei führenden Festspielen als gestandener Sänger und – das muss extra betont werden – exzellenter Textgestalter mit der Vortragskunst eines Schauspielers. Denn Mitterrutzner hatte sich entschlossen, den Prolog und Epilog der eigentlich 25 Gedichte von Wilhelm Müller (Schubert hat bekanntlich nur 20 davon vertont) als Rahmen des gesungenen Zyklus vorzutragen, um wie vom Dichter beabsichtigt, den doch sehr traurigen Verlauf der Geschichte mit etwas Ironie zu brechen, den Zuhörer wohlgestimmt willkommen zu heißen bzw. ihn am Schluss mit aufmunternden Worten nach Hause zu entlassen.

In grauer Hose und lindgrünem Hemd setzt der visuell dem Ideal eines romantischen Jünglings optimal entsprechende Tiroler Künstler die passend legeren Akzente eines Naturburschen, der außer beim gesprochenen Rahmen direkt neben dem Gitarristen auf einer Bank sitzt. Dadurch entsteht eine weitaus stimmigere Atmosphäre als bei sonst üblicher strenger Konzertkleidung. Mitterrutzners Stimme vereint den feinen, kultivierten Klang eines vielfach an Mozart geschulten Tenors mit dem textlichen Gestaltungsvermögen eines Charakter-Interpreten. Er formt Piani in zahlreichen Schattierungen von klarster Rundung und mit tragfähigem Körper, bindet sie für allerlei Empfindungen zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Sehnsucht und unerfüllter Liebe in die melodischen Verläufe und kontrastiert sie unmittelbar mit vehementen Ausbrüchen, bei denen sich sowohl die Kraft als auch das Volumen der Stimme auch mal etwas auf Kosten der klassischen Linie Bahn brechen.

Martin Wesely unterstützt ihn auf seiner Wanderschaft, begleitet vom Bach und den Gedanken an die schließlich an den Jäger verlorene Müllerstochter, unter Ausschöpfung des vor allem so obertonreichen Klanges der alten Gitarre, mit für sich aufhorchen lassendem Zugriff und ermöglicht dem Sänger doch auch das Auskosten vieler Details in Betonung und Rhythmus. Beide begegnen sich dabei auf Augenhöhe, gewähren sich gegenseitig Zeit für einen natürlichen Atem ohne irritierende Eigenwilligkeit aber doch so manche ungewohnte Ausformung der Farben, die sich ja in Weiß, Blau und Grün symbolisch durch das ganze Werk ziehen. Im Ganzen eine Schöpfung von häuslicher Intimität und kammermusikalischem Format in erstklassiger, wenn nicht gar neue Maßstäbe setzender solistischer Qualität.

Im Verlauf des Konzerts schwingen immer wieder Gedanken mit, wie Martin Mitterrutzner nach dieser immensen Entwicklung sein Repertoire ausbauen könnte – mit dem lyrischen Element als bestehen bleibender Grundlage. Davon dürfen er wie auch wir vorerst mal träumen und die Wirklichkeit abwarten. So wie der zwischen Utopie und Realität angesiedelte namenlose Müllersknecht…….

Viel Jubel an diesem zweiten von drei Konzert-Terminen für die beiden natürlich Heimvorteil genießenden Martins!

Udo Klebes   

 

 

 

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