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GYÖR/ Ungarn: „TRANZIT“. – feierliche Ballettpremiere zum 45 Jahre Jubiläum der Compagnie

10.11.2024 | Ballett/Performance

Győr: 09.11.2024: „TRANZIT“. feierliche Ballettpremiere zum 45 Jahre Jubiläum der Compagnie

Mit einem glanzvollen Gala-Abend im Nationaltheater wurde die Gründung des Ballettensembles vor 45 Jahren zelebriert.1979 beschloss die damalige Abschlussklasse des ungarischen Ballettinstitutes beisammen zu bleiben und eine eigene Compagnie zu gründen. Sie konnten für dieses Projekt Iván Markó gewinnen: der berühmte ungarische Tänzer in Maurice Béjarts Ballet du XXe siècle übernahm die Leitung des neu gegründeten Győri Balett, das im kürzlich davor erbauten Nationaltheater der westungarischen Stadt eine Bleibe fand.

Nach dem Weggang von Iván Markó 1991 übernahm János Kiss die Leitung der Compagnie – ihm gelang es äußerst erfolgreich, das Győri Balett in eine neue Ära zu führen und es kontinuierlich mit vielen interessanten Produktionen weiter zu etablieren und den internationalen Ruf zu vergrößern. Werke renommierter Choreografen wie u.a. Robert North, Ben Van Cauwenbergh, Christopher Bruce, Gyula Harangozó jr., András Lukács, oder György Vámos gelangten zur Aufführung. Nachdem er bereits als künstlerischer Leiter wirkte, ist László Velekei nun seit Juli 2020 der dritte Direktor und eröffnete damit ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte der Balletttruppe von Győr. Velekei begann als Tänzer im Ensemble, avancierte zum Solotänzer und prägt nun mit seinen Choreografien – kurzen Piecen wie abendfüllenden Handlungsballetten – nachhaltig das Erscheinungsbild des Balletts von Győr.   

Die bisherige Bilanz der 45 Jahre kann sich sehen lassen: in rund 200 Städten im In- und Ausland wurden die 170 Produktionen in fast 3000 Vorstellungen von mehr als 2 Millionen Zuschauern gesehen! Bereits seit 2012 gibt es mit „Jugend für Jugend“ ein eigenes Bildungsprogramm mit Werken für Kinder und Jugendliche, um damit die Kunstsparte Tanz und die Tanzausbildung schon beim jungen Publikum populär zu machen, es gibt sogar seit 2020 ein Babytanz-Heimprogramm für die Kleinsten von 0-6 Jahren. Mit der Veranstaltung des ungarischen Tanzfestivals und des daran anschließenden Kindertanzfestivals hat das Győri Balett mittlerweile überregionale Bedeutung erlangt, ist dieses Festival doch die größte Veranstaltung im Genre Tanz in Ungarn, werden hier doch alle möglichen Sparten an Tanz gezeigt. Die Ballettcompagnie von Győr hat sich über die Jahre als eine wesentliche Institution im Bereich Tanz etabliert und reicht in seiner prägenden Bedeutsamkeit weit über die Grenzen Ungarns hinaus.

Im ausverkauften Nationaltheater waren zu diesem feierlichen Ereignis des 45 Jahre Bestehens viele Gäste aus Politik und Wirtschaft sowie Persönlichkeiten der ungarischen Tanzszene ebenso anwesend wie zahlreiche ehemalige Mitglieder vom Győri Balett. Festansprachen der Staatssekretärin Magdolna Závogyán, des Parlamentsabgeordneten Róbert Balázs Simon, des Bürgermeisters von Győr Bence Pintér und von Ballettdirektor László Velekei leiteten den festlichen zweiteiligen Abend ein.

„Falling into Jupiter“ von Jordan James Bridge entführt in einem Science-fiction Ballett auf einen fernen Planeten und stellt die Frage, was uns angesichts anderer Lebensformen zu Menschen macht bzw. fragt uns: wer sind wir Menschen wirklich? Der britische Choreograf arbeitet im Bereich Tanz, Mode und Film und hat bereits mehrfach Auszeichnungen für seine verschiedenen Arbeiten erhalten. Videoprojektionen waren dann auch wichtiger integrierter Teil seines Bühnenkonzepts für das aktuelle 50minütige Stück. Zu einer Musikcollage sorgte das Leading Team George Harvey (Bühnenbild), Joe Bowler (AI Künstler), Jekli Zoltán (Digital Body Operator), Sara Mackenzie (Kostümentwürfe) bzw. Nagyné Vass Katalin (Kostüme) sowie Tamás Vargha (Licht) gemeinsam mit Luke Ahmet (Assistent des Choreografen) für die bühnengerechte Umsetzung. Auf dunkler Bühne kristallisieren sich schemenhaft die Schatten als Silhouetten der Figuren heraus. Die glänzenden Ganzkörpertrikots, die auch Hände und Kopf (bis auf einen kleinen freien Ausschnitt für das Gesicht) bedecken, suggerieren die außerirdischen Wesen, die sich einzeln, aber auch wie ein mehrteiliges Gliederwesen fortbewegen; einander annähern und sich in einem spannenden Tanzstil bewegen, der sehr akrobatisch ist und sehr geschmeidig-gelenkige Tanzende erfordert. 

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Das Ensemble der Außerirdischen in „Falling into Jupiter“; Copyright: Balázs Csapó

Aus dem 22köpfigen Ensemble, das mit viel Power auftritt, sind vor allem Tetiana Baranovska (Königin der Außerirdischen), Engelbrecht Patrik (Anführer der Außerirdischen) und Richard Szentiványi (Anführer der Menschen) hervorzuheben, die alle vom Publikum mit starkem Applaus bedacht werden.

Jordan James Bridge kreiert seine Werke gern aus einem persönlichen Blickwinkel und so kann man das hier dargestellte Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensformen vielleicht auch im übertragenen Sinn auf jegliche Situation anwenden, wo einander fremd seiende Individuen aufeinander treffen.  

Nach der Pause wurde mit „Mirror“ von Jung-a Kim fortgesetzt. Die Südkoreanerin ist als   Choreografin tätig und leitet als artistic director die Company Mutdance. In ihrem Stück für das Győri Balett geht es darum, in die Tiefe des eigenen Bewusstseins rückblickend –gleichsam wie ein Blick in einen Spiegel – zu sinnieren, was falsch und was richtig gewesen ist, welche Beweggründe es als Überlegungen für Entscheidungen gegeben hat, Für die Verwirklichung benutzt die Choreografin Musik von Young-seon Woo; das Kostümdesign stammt von Min-joo Kang mit Umsetzung durch Nagyné Vass Katalin, das Bühnenbild gestaltete Jong-seok Kim mit szenischer Bearbeitung durch Lajos Katavics; das Licht designte Min-su Kim mit Unterstützung von Bálint Pongácz. Als Assistent der  Choreografin fungierte Levente Bajári, ehemaliger first character Soloist im Ungarischen Nationalballett. Die Bewegungsmuster sind hier mehr geometrisch angeordnet, manchmal statisch verharrend, die Betonung liegt eher auf vielfältigen Armbewegungen und durch synchrone Gegenüber wird der Spiegeleindruck erweckt. Das Ballettensemble präsentierte sich erneut als grandiose Einheit, zeigen sich doch die hier eingesetzten 18 Personen als kompakte, stark präsente Gruppe, die mit viel Beifall vom Publikum dafür bedankt wird.  

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Rückblick ins eigene Bewusstsein: das Ensemble in „Mirror“; Copyright: Balázs Csapó

Zum Abschluss der festlichen Veranstaltung gab es noch auf offener Bühne das Statement durch Michael Breme, Managing Director of Audi Hungaria Ltd. und Kinga Németh, Board Member, zum festlichen Geschehen der 45 Jahr-Feier mit der offiziellen Bekanntgabe, auch für die nächsten drei Jahre das Ballett Györ als Sponsor zu unterstützen. Als krönender Schlusspunkt wurde der diesjährige Audi Award for Quality Dance Art an Richard Szentiványi verliehen.  

Zusätzliche Angebote anlässlich des 45-Jahr-Jubiläums der Gründung vom Győri Balett runden die laufende Spielzeit ab. Für Ballettinteressierte ist „Have Lunch with a dancer“ sicherlich ein besonders außergewöhnliches Erlebnis, wird hier doch per Los ermittelt, wer bei einem gemeinsamen Mittagessen im Lamaréda Restaurant und moderiert von Levente Bajári die Gelegenheit erhält, ein Mitglied der Compagnie in dieser exklusiven Atmosphäre zu treffen. Bei der monatlichen Podcast-Reihe „Hallgatlak!“ – „I’m listening!““ spricht die Kulturjournalistin Szilvia Mohácsi mit aktiven und ehemaligen Tänzern über deren Karriere und persönlichen Erfahrungen; die neuen Folgen dieser Serie an Podcasts kann man monatlich auf Spotify hören. Der Tee der Erzabtei Pannonhalma wird bei der Veranstaltung “Filter – a conversational tea party”, für eine behagliche Stimmung sorgen, wenn sich ehemalige und jetzige Mitglieder vom Győri Balett sowie Fotografen und Journalisten gemeinsam an die vergangenen 45 Jahre der Compagnie erinnern werden. Für das Publikum gibt es mit dem Markó/Gomár-Season-Ticket die Möglichkeit, Eintrittskarten für vier Vorstellungen als Abonnement für die laufende Jubiläumsspielzeit zu erwerben, nämlich von „Peer Gynt“,  „GisL“, „Éva und Ádám“ sowie von einer der Haupt-Produktionen des 20. Ungarischen Tanzfestivals, das von 18. – 22. Juni 2025 in Győr stattfinden wird.

Ira Werbowsky

 

 

 

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