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GYÖR/ Ungarn:/ Nationaltheater: „NOSFERATU“. –  tänzerische Auseinandersetzung mit dem Menschsein und der Endlichkeit (Uraufführung)

23.11.2025 | Ballett/Performance

Győr / Nationaltheater am 22.11.2025: „NOSFERATU“. –  tänzerische Auseinandersetzung mit dem Menschsein und der Endlichkeit (Uraufführung)

Mit seinem neuesten Stück „Nosferatu“ hat László Velekei, der Direktor des Győri Balett und Chefchoreograf seiner Compagnie ein spannendes Thema aufgegriffen. Seit der 1897 erfolgten Veröffentlichung des Romans „Dracula“ von Bram Stoker (1847 – 1912) gab es immer wieder vor allem Verfilmungen, aber auch Fernsehserien dieses faszinierenden Genres rund um den blutsaugenden Vampir als untoten Unhold. Einer der ersten Filme dieser Art war der ungarische Stummfilm „Drakula Halála“ („Draculas Tod“), der aber verschollen ist. Große Bekanntheit erzielte die erste deutsche Version „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ von 1922, in der allerdings aus urheberrechtlichen Gründen statt der Namen aus Stokers Roman andere verwendet wurden (Dracula heißt hier Graf Orlok, dargestellt von Max Schreck) und auch der Schauplatz der Handlung wurde abgeändert. Dennoch gewann Stokers Witwe den Prozess wegen Urheberrechtsverletzung – der Film sollte eigentlich vernichtet werden, aber es blieben einige Kopien erhalten, die bereits im Umlauf waren. Berühmte Dracula-Darsteller waren  in weiterer Folge u.a. Bela Lugosi (1931), Christopher Lee (1958), Klaus Kinski (1979) oder Gary Oldman (1992).

Ausgehend von Bram Stokers Roman konzentriert sich László Velekei in seinem zweiaktigen Stück allerdings anders als in den meisten Bearbeitungen nicht auf das unheilvolle Wesen, sondern darauf, dass diese Figur des Nosferatu ein Toter ist, der leben will. So stellt er seinem Werk auch den Satz voran: „Mors porta vitae est“ („Der Tod ist das Tor zum Leben“) und stellt sich die Frage: „Warum haben wir solche Angst vor dem Tod, dass wir vergessen zu leben?“ In Fortsetzung seiner Zugänge zu „Giselle“ (bei ihm unter dem Titel „GisL“) und zu „Peer Gynt“, ist „Nosferatu“ für ihn die logische Fortsetzung der tänzerischen Umsetzung von bekannten Ballett-Stoffen, in der es um den Menschen und um das Menschsein geht – und hier speziell um den Aspekt, was es bedeutet, als Mensch zu leben und sich der Endlichkeit bewusst zu sein. 

Velekeis Bewegungssprache ist zeitgenössisch mit akrobatisch-sportiven Akzenten, die Tänzer sind barfuß und tragen nudefarbene oder schwarze Trikots bzw. camouflageartig gefärbte mit beigemischtem Rot.

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Das Ensemble in „Nosferatu“, © Balázs Csapó

Statt einer durchgängigen Handlung werden in Abstrahierung des Romans Seelenzustände aufgezeigt, ist Nosferatu als Fremder aus der Nacht hierhergekommen. Es dürstet ihn nicht nur nach Blut, sondern er ist auf der Suche nach einem Gefühl, das er einmal in der Liebe gespürt hat und diese Erinnerung treibt ihn als Sehnsucht an, dieses Gefühl wieder zu finden, um es erneut zu erleben. Indem er in einem Mädchen diese verloren gegangene Geliebte wieder zu erkennen glaubt, sind ihre Bewegungen und ihr Gesicht aber nur der Abdruck einer vergangenen Zeit, die in ihr widerhallt, ist diese Liebe nicht von dieser Welt.

Als Assistenten des Choreografen fungierten für diese Produktion Levente Bajári, und Krisztina Szőllősi. Dem Leasing Team gehörten weiters Alexandra Csepi  (Dramaturgie), Gabi Győri (Kostüme), Lajos Katavics und Ibolya Váray (szenische Umsetzung) sowie Ferenc Stadler (Lichtdesign inklusive Stroboskop-Effekte) an. Für die Musik wurde eine Collage verwendet, in der neben elektronischen Klängen auch Atmen und Herzschlag eingesetzt waren.

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Daichi Uematsu als Nosferatu, © Balázs Csapó

Herausragend in seiner Präsenz als Nosferatu ist Daichi Uematsu – er verkörpert den  Getriebenen, den Suchenden, er ist der Fremde als Geschöpf aus einer anderen Welt. Eindrucksvoll zeigten sich Joó Lea Napsugár (Mina Murray), Richard Szentivány (Minas Verlobter) und Eszter Herkovics (Minas Freundin Lucy Westenra). Die Compagnie agiert in dichter, dynamischer Kompaktheit und bietet eine starke Leistung, sei es als siamesische Geschöpfe, Dämonen und Menschen. Es gab viel Beifall und Jubel für diese Uraufführung.

Im Anschluss an die Vorstellung wurde auf offener Bühne von Kinga Németh, Mitglied des Audi-Vorstands für Personal und Organisation gemeinsam mit László Velekei der diesjährige Audi Award for Quality Dance Art vergeben an Rebeka Szendrey. Dieser Award für Mitglieder des Győri Balett als Würdigung für herausragende Leistungen und tänzerisches Potenzial wurde heuer bereits zum 12. Mal verliehen.

Ira Werbowsky

 

 

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