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GUILLERMO GARCIA CALVO – GMD der Theater Chemnitz

„Ohne Wagners Oeuvre wäre die Musik uninteressant".

30.05.2019 | Dirigenten

Interview mit Guillermo García Calvo, dem GMD der Theater Chemnitz – 19. April 2019

Anlässlich meines Besuches des neuen „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner an den Theatern Chemnitz im April konnte ich auch den noch relativ neuen GMD interviewen, Guillermo García Calvo, der diesen Posten seit der Spielzeit 2017/18 bekleidet. Das Interview „artete“ fast automatisch in eine Ode an Richard Wagner aus…


Guillermo García Calvo

 

  1. Wie sind Sie nach Chemnitz gekommen?

Guillermo García Calvo stammt aus Madrid und studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. 2003 debutierte er als Operndirigent mit „Hänsel und Gretel“ im Schlosstheater Schönbrunn. Seitdem ist er regelmäßig an der Wiener Staatsoper zu Gast, wo er bereits über 200 Vorstellungen dirigiert hat. Eben hier lernte ihn der Intendant von Chemnitz beim Dirigat einer Aufführung des „Barbier von Sevilla“ kennen und lud ihn zu einem Vordirigat nach Chemnitz ein. Aufgrund der großen Liebe zu Richard Wagner, die Calvo mir mit begeisterten Worten schildert, war der Plan, dass es eine neue „Ring“-Inszenierung geben würde, ausschlaggebend für seine Zusage für den GMD-Posten. Er hatte schon 2011 am Teatro Campoamor in Oviedo mit der Premiere von „Tristan und Isolde“ sein Operndebut in Spanien gegeben und leitet dort seit 2013 auch die EA des „Ring“. Weitere internationale Engagements führten Calvo nach Essen, an die Deutsche Oper Berlin, nach Bukarest, Madrid, Nizza, Florenz und Parma. Die spanische Musikzeitschrift Codalario zeichnete ihn als „Besten Künstler 2013“ aus.

  1. Was machten Sie vor Chemnitz?

Vor seinem Engagement in Chemnitz war García Calvo freischaffend. Er war unter anderem von 2004-10 unter Ioan Holender Solo-Korrepetitor an der Wiener Staatsoper, verließ das Haus aber mit dem Abgang Holenders Ende Juni 2010. In Wien wohnt er aber bereits seit 1997. Das war eine überaus interessante Zeit. Hier in Chemnitz genießt er nun die Ruhe, die eine sehr gute Konzentration auf die Arbeit erlaubt. Mit seiner Wiener Frau hat er zwei kleine Kinder, die aber alle noch in Wien sind. Gerade war er fünf Wochen in Barcelona, kümmert sich also auch weiter um die spanische Opernszene, wie ja auch sein Engagement in Oviedo beweist. Er hat auch schon für Christine Mielitz korrepetiert, und zwar bei „Parsifal“, seinem ersten Wagner-Stück.

  1. Wie läuft die Chemnitzer Besetzungspolitik?

Operndurektor Patrik Wurzel ist ständig unterwegs, um neue Sänger für das Haus zu entdecken. Anders als manche andere Oper versuchen sie in Chemnitz, mit Sängern, die erstmals nach casting und Vorsingen ans Haus gekommen sind, eine Kooperation zu schließen, im Hinblick auf den Einsatz in weiteren Rollen. So wird die Sängerin der Brünnhilde im neuen Chemnitzer „Ring“, Stéphanie Müther, die zuvor fest in Erfurt war, auch die Ortrud im kommenden „Lohengrin“ singen, der Siegmund Viktor Antipenko den Florestan in „Fidelio“. Benjamin Bruns war Loge im „Ring“ und ist nun als Lohengrin 2020 vorgesehen. Im Jahr 2020 wollen sie auch „Mefistophele“ herausbringen sowie eine neue „Carmen“. Bruns hat er aus Wien hergebracht, wie auch Monika Bohinec.

  1. Was fasziniert Sie so sehr an Richard Wagner, dass der neue Chemnitzer „Ring“ ausschlaggebend für Ihre Entscheidung war herzukommen?

Wagner war für Guillermo García Calvo der Grund, dass er überhaupt Musiker geblieben ist. „Ohne Wagners Oeuvre wäre die Musik uninteressant. Seine Musik sättigt nie. Es gibt keine Vergleiche mit anderen Komponisten – seine Musik ist ständig inspirierend. Man hat nie genug!“ So entdeckt er immer wieder neue Harmonien – ohne Ende. Calvo hält es für ein Wunder, dass jemand ein Libretto schreibt, die Handlung konzipiert, die Musik dazu komponiert und das alles mit diesem Ideenreichtum. Wenn man zudem bedenkt, dass Wagner auch noch das Bayreuther Festspielhaus gebaut hat, um seine Werke dort aufzuführen, so ist er „unschlagbar“. Die Beschäftigung mit ihm endet nie – „es ist eine endlose Auseinandersetzung“. Wahrscheinlich hat Wagner einiges von Bellini übernommen, den er ja sehr schätzte, ein „Charisma von Melodien“. Mit „Lohengrin“ erreichte der Bayreuther Meister höchste Romantik. Schon da konnte man sagen, dass eine Welt ohne Wagner nicht vorstellbar ist… Dabei hat er sich auch nicht gescheut, negative, ja böse Musik zu schreiben, wenn man an den 2. Aufzug der „Götterdämmerung“ mit seiner negativen Mystik denkt.

  1. Wie sehen Sie überhaupt den Mythos bei Wagner und die Aufführungspraxis?

Dass Wichtigste ist für García Calvo die Personenführung. Darauf folgen Regie und Kostüme. Man muss die Geschichte erzählen. Es geht weniger um das Wie, sondern darum, dass die Geschichte erzählt wird. Dabei spielt auch die Natur eine bedeutende Rolle, und so kommt der Mythos ins Spiel. In diesem Kontext muss man die Akteure „richtig“ – also wohl werkkonform – präsentieren.

  1. Noch etwas zu Richard Strauss.

Calvo schätzt auch sehr Richard Strauss und hält dessen Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal ebenfalls für ein Wunder. Ihre Werke sind ständig neu interpretierbar, stecken voller Philosophie. Gerade hat er den „Rosenkavalier“ dirigiert.

  1. Künftige Pläne.

Er möchte in nicht allzu ferner Zukunft gern „Wozzeck“ spielen. Wenn das gut läuft, kann man auch an eine „Lulu“ denken.

Ich wünsche dem engagierten, sympathischen und offensichtlich hochtalentierten Guillermo García Calvo alles Gute auf dem weiteren Weg.

(Das Interview wurde auf Deutsch und Spanisch geführt).

Klaus Billand

 

 

 

 

 

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