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GSTAAD/Schweiz/ Menuhin.Festival: NORMA von V. Bellini. Konzertante Intensität mit starker Besetzung.

23.08.2025 | Oper international

Schweiz/Bellinis Norma beim Gstaad Menuhin Festival. Aufführung vom 22.08.2025
Konzertante Intensität mit starker Besetzung.

Norma – Escape to Exile V – Gstaad Festival Orchestra III

Sonya Yoncheva. Foto: Festival Gstaad

Im Rahmen des diesjährigen Gstaad Menuhin Festivals wurde Vincenzo Bellinis Norma präsentiert. Am Pult des Gstaad Festival Orchestra stand Domingo Hindoyan, der das Werk mit Sinn für klangliche Balance und phrasierten Atem dirigierte. Seine Lesart zeichnete sich durch eine transparente Orchesterarbeit aus, der die Sängerinnen und Sänger unterstützte, ohne die lyrische Grundstruktur der Partitur zu überdecken.

Norma funktioniert konzertant besonders gut, weil man den Fokus auf den Gesang legen kann. Das Herzstück ist die Stimme, endlos lange Melodiebögen, extreme Anforderungen an Atemtechnik und Ausdruck, besonders in Normas Arie «Casta diva». Die Oper ist ausserordentlich expressiv und in sich dramatisch, und die Handlung konzentriert sich auf die inneren Konflikte. Deshalb lebte dieser Abend so stark aus der Musik und der gesanglichen Darstellung heraus, somit wirkte diese konzertante Aufführung nicht ärmer, sondern sogar intensiver.

In der Titelrolle überzeugte Sonya Yoncheva mit einem klanglich fokussierten, technisch sicheren Sopran. Ihre Interpretation war geprägt von einem feinen Gespür für Legatolinien und dramatische Zuspitzung. Besonders in «Casta diva» bewies sie grosse Atemökonomie und gestalterische Ruhe. Auch in den dramatischen Passagen des zweiten Aktes blieb ihre Stimmführung stabil und differenziert. Karine Deshayes bot als Adalgisa einen runden, farbenreichen Mezzo mit guter Textverständlichkeit. Die Duette mit Yoncheva („Mira, o Norma“) gelangen musikalisch wie vokal hervorragend – beide Stimmen verbanden sich zu einem ausgewogenen Ensembleklang. Stefan Pop (Pollione) zeigte einen kraftvoll geführten Tenor mit sicherer Höhe, jedoch gelegentlich zu wenig gestalterischer Subtilität im Mittelregister. Seine Interpretation legte den Fokus auf das Heroisch-Dramatische, weniger auf das psychologisch Feinprofilierte. Alexander Vinogradov (Oroveso) bot einen klangvollen, sonor geführten Bass, mit souveränem Auftreten in den Ensembleszenen. In den Nebenrollen fügten sich Marin Yonchev (Flavio) und Kristine Klein (Clotilde) solide in das Gesamtbild ein.

Der Chor der Bühnen Bern war homogen und rhythmisch präzise, besonders in den gross angelegten Szenen der gallischen Priesterschaft. Klanglich war der Chor gut mit dem Orchester abgestimmt. Das Gstaad Festival Orchestra präsentierte sich auf hohem Niveau – mit schlanker Streicherführung und kultivierter Bläserarbeit. Der Dirigent bewies gutes Stilgefühl und koordinierte souverän zwischen Sänger und Sängerinnen und Orchester.

Insgesamt war der Abend ein gelungenes Beispiel für die dramaturgische Dichte, die auch ohne szenische Umsetzung entstehen kann. Die musikalische Qualität stand im Vordergrund, und insbesondere das Zusammenspiel der beiden weiblichen Hauptrollen setzte künstlerische Akzente.

Der Abend wurde vom Publikum mit grossen Ovationen verdankt, verdienterweise.

Marcel Emil Burkhardt

 

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