Konzertante Aufführung von Fidelio am Gstaad Menuhin Festival vom 11.8.2022
Sinead Campbell-Wallace, Jonas Kaufmann. Foto: Raphael Faux
Der Titel des diesjährigen Festivals lautet Wien – Beethoven delayed. Das Festival konnte Beethoven vor zwei Jahren zu seinem 250 Geburtstag wegen der Pandemie nicht gebührend feiern. Dies wird in diesem Jahr nachgeholt. In über 65 Konzerten werden vom 15. Juli bis zum 3. September am Menuhin Festival die musikalischen Pfade Wiens durch die Jahrhunderte abgehalten.
Beethoven hat nur eine Oper geschrieben. Sie ist Ausdruck seines dramatischen Genies, das er bekenntnishaft in den Dienst seiner tiefsten Überzeugung stellt, durchweht vom Geist der Aufklärung und der Französischen Revolution, vom Geist der Freiheit und Brüderlichkeit. In Fidelio sehen und hören wir eine Frau «Leonore» die nichts unversucht lässt, um ihren Gatten «Florestan» aus dem Gefängnis zu befreien und sich sogar unter dem Namen Fidelio als Mann ausgibt, um in seiner Nähe zu gelangen.
Der Schauspieler Peter Simonischek liest Deutsche Texte aus Roccos Erzählungen und unterbrach damit die Kontinuität der Musik. Das mag den einen Zuhörern gefallen und den anderen weniger. Zusammen hat der Sprechteil und der Gesang das Werk auf drei Stunden verlängert.
Der Dirigent Jaap van Zweden spielte mit dem Gstaad Festival Orchestra eine von grosser Emphase durchdrungene Freiheitshymne. Der ausgezeichnete Tschechischer Philharmonischer Chor Brno sang ergreifend: „O welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben!“ und half somit die unsichere Sehnsucht der Freiheit zu erhellen.
Sinead Campbell-Wallace interpretierte mit ihrem jugendlich-dramatischen Sopran eine starke und zugleich sensible Leonore: Die Entdeckung des Abends! Ihre Stimme jubilierte mit Kampfbereitschaft in den Höhen mit der Arie: „Abscheulicher! Wo eilst du hin? … Komm, Hoffnung, lass den letzten Stern der Müden nicht erbleichen!“
Florestan wurde von Jonas Kaufmann mit seinem heldenhaften Tenor äusserst ausdrucksvoll gesungen, wohl einer der schönsten Stimmen für die Arie: „Gott! Welch Dunkel hier! … In des Lebens Frühlingstagen“. Eine wunderbare Interpretation, die durch Mark und Beine geht…
Der „Mitläufer“Rocco wurde von dem Bariton Andreas Bauer Kanabas mit samtschwarzer Stimme ausdruckvoll gesungen in der Arie:„Hat man nicht auch Gold beineben“. Sein eifriges Obrigkeits- und Besitz-Denken verführt ihn fast an die Grenze des Mordes.
Bass-Bariton Falk Struckmann singt hasserfüllt und wütend das Ungeheuer Pizarro mit viel Verve und in einer angsterfüllenden Interpretationsart wird die Arie: „Verwegner Alter! Welche Rechte legst du dir frevelnd selber bei?“ interpretiert.
Die Sopranistin Christina Landshammer singt mit einem sehr attraktiven Timbre die Marzelline, auch der Jaquino vom Tenor Patrick Grahl zeigt in der Stimme saubere Intonationen.
Sehr schön gesungen wurde der Don Fernando von dem Bariton Mathias Winckhler. Der 1. Gefangenen übernahm der Tenor und Chorsolist Tomas Chloupek. Der 2. Gefangene wurde von dem Tenor und ebenfalls Chorsolisten Vaclav Jerabek wunderbar interpretiert.
Schlussapplaus gesamtes Ensemble. Foto: Raphael Faux
Das Publikum im ausverkauften Saal genossen dem Abend sehr und würdigte die Aufführung mit stehenden Ovationen. Diese Brise Wien, die nach Gstaad verlegt wurde, tut gut und stimmte fröhlich.
Marcel Burkhardt