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GRAZ / Schlossbergbühne Kasematten: „FIDELIO“ – konzertant

21.08.2020 | Oper


Marcus Merkel dirigiert. Foto: Photowerk

GRAZ / Schlossbergbühne Kasematten: „FIDELIO“ am 20.8.2020

 Eine lobenswerte Initiative des „Junge Konzerte Graz – Kunst – und Kulturverein“ in Kooperation mit den „Grazer Spielstätten“ ermöglicht also 3 Aufführungen des „Fidelio“ hoch über Graz auf dem Schloßberg, über deren erste hier berichtet werden soll. Ursprünglich war das Gelände ab 1782 als Gefängnis für Schwervrecher aus der ganzen Monarchie genutzt, als Theaterbühne wird sie seit 1937 verwendet, wo eben mit dem „Fidelio“ die Eröffnung erfolgte. Im Laufe der Jahrzehnte gab es immer wieder Produktionen dieser Oper an diesem Platz, zuletzt 1997. An eine dieser Aufführungen vor 23 Jahren erinnere ich mich gerne zurück, Sophia Larson war eine hervorragende Leonore, Wolfgang Müller Lorenz als Florestan, Hans Sisa als Rocco und Jacek Strauch als Pizarro ebenfalls ausgezeichnet.

     Damals war es eine wirkliche Freiluftaufführung, auch szenisch dargebracht, diesmal war es konzertant ( obwohl im Programmheft auch eine Dame für die „Szenische Einrichtung“ genannt wird, die aber praktisch nur die Auf und Abtritte ordnete ), und trotz des herrlichen, praktisch wolkenlosen Sommerabends war das verschiebbare Dach über den Spielort geschoben worden… Im Programm wird ausführlich über Corona und die Maßnahmen berichtet, um circa 2.100 Besuchern die Möglichkeit zum Besuch zu geben, wird 3x mit maximal 700 Besuchern gespielt, man sah auch etliche freie, gesperrte Plätze zwischen den Besuchergruppen, jedoch waren die Reihen doch sehr dicht gestellt – also zum Vordermann hätte der berüchtigte „Baby-Elefant“ maximal der Quere nach dazwischen gepasst. Im hinteren Teil während des ersten Aktes über lange Zeit hörbar, Frauenstimmen, Gerede, das immer lauter wurde, und erst nach der empörten Reaktion zweier Besucherinnen endlich abgestellt wurde!

     Aber nun zum musikalischen Teil. Das Orchester bestand aus „Mitgliedern der Grazer Philharmoniker“, der Chor aus „Mitgliedern des Grazer Opernchores“, dem für seine exakte und klangschöne Darbietung  – mit Masken singend – ein Sonderlob gebührt!  Auch das Orchester entledigte sich seinen Aufgaben mehr als zufriedenstellend, Marcus Merkel koordinierte gut am Pult, nahm die ganze Sache mit recht flotten Tempi – da auch bis auf einen Bruchteil alle Prosa eliminiert war, und es auch keine Pause gab, dauerte der Abend nicht mal 2 Stunden. 

    Als Besonderheit für Opernfreunde war als Erster Gefangener der aus der ehemaligen DDR stammende und – ungerechterweise – in unseren Breiten besonderswegen seiner „Tannhäuser „- Probleme bei der Wiener Neuproduktion bekannte Heldentenor Rainer Goldberg, der zu Recht auf eine große Karriere zurückblicken kann. Der heute bereits 81 jährige Tenor demonstrierte mit intakter Stimme wie man technisch hervorragend singen kann: seine Phrasen waren einer der Höhepunkte des Abends – man  wünschte sich sehnsüchtig eine Arie für diese Rolle…! 


Bryn Terfel. Foto: Photowerk

Neben ihm gebührte die Krone des Abends dem jungen slowakischen Bass Peter Kellner als Rocco : mit einer Wortdeutlichkeit sondergleichen – ohne den geringsten slawischen Akzent! – seiner pastos fliessenden , gut geführten Stimme und seiner Ausdruckskraft bewies er erneut, daß er auf dem besten Weg zu einem allerersten Vertreter seiner Zunft ist! Sein Duett mit Pizarro zählte auch zu den Highlights des Abends. Hier hatte der sein Partiedebut gebender „Star“-Partner Bryn Terfel auch seine besten Momente. Er brauchte nach mißglücktem Beginn seiner Arie etwas Anlaufzeit, schaffte es mit Routine, Bühnenpräsenz und expressivem Stimmeinsatz doch einigermaßen die Erwartungen zu erfüllen –  an die großen Interpreten dieser Partie der letzten Jahrzehnte kam er bei Weitem nicht heran.

Der als zweiter „Star“ angekündigte Peter Seiffert hatte kurzfristig abgesagt, und so sprang Roberto Sacca ein, der eine tadellose Leistung ablieferte. Prägnant, wortdeutlich, mit heldischem Applomb zeichnete er einen tadellosen Florestan und überraschte positiv! Ebenso ließ der im Ensemble der Grazer Oper engagierte Bosnier Neven Crnic als Minister mit einem sonoren, bestens geführten Bassbariton aufhorchen: ihn möchte ich sehr gerne wiederhören. Aus dem Grazer Opernstudio machte auch der junge Mario Lerchenberger als Jacquino sehr gute Figur, Narine Yeghiyan ergänzte als Marzelline mit gut zentriertem, angenehmen Sopran. Als Zweiter Gefangener verdient auch Richard Jähnig positive Erwähnung.

Leider kann ich das von Barbara Krieger nicht berichten: sie als Protagonistin war mit Abstand der Schwachpunkt des Abends. War sie vielleicht indisponiert? Dann hätte man das auch sagen müssen. Gleich beim Quartett, wo sie kaum vernehmbar war, schwante mir Übles: es sollte sich leider bewahrheiten. Stumpf, völlig glanzlos ihre Stimme, die teilweise wie markieren klang, kaum verständlich trotz deutscher Muttersprache, die tiefen Regionen mit einer Art Sprechgesang, die Höhen mit letzter Kraft herausgestossen – zumindest meist – erreichend.  Signifikant, dass das ohnedies sehr milde Publikum nach „Abscheulicher“ den kürzesten Applaus spendete – woanders hätte das böse ausgehen können. Nun ja, man kann nur wünschen, dass es eine rabenschwarze Tagesverfassung war.

     Am Schluß viel Applaus eines positiv gestimmten Publikums, sicher auch inbegriffen darin die Dankbarkeit  für die lobenswerte Initiative des Veranstalters!

 Michael Tanzler

 

 

 

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