Oper Graz
Charles Gounod “ROMÉO et JULIETTE
Premiere 5.November 2016
Als Vorlage für Shakespeares berühmtes Drama dienten die Novellen und Verserzählungen italienischer und französischer Dichter, der Komponist Charles Gounod unterlegte dem Geschehen in Verona seine Melodien voll französischem Esprit, in Graz aber lässt der Regisseur statt im 15.Jahrhundert und unter italienischem Himmel das Drama im Viktorianischen England des 19.Jahrhunderts spielen. Spätestens bei Beginn der Walzerszenen im ersten Akt merkt man, dass wir in Graz angekommen sind: statt der spritzigen und süffigen Walzerklänge Gounods glaubt man einen Gstrampften herauszuhören zu können, zu erdverbunden wurde da musiziert.
Robin Engelen mit dem Grazer Philharmonikern und Ben Baur mit seiner soliden aber zähen und betulichen Regiearbeit scheinen diesmal der wohl erforderlichen lockeren und zügigen Interpretation entgegenzustehen, die für die Gesamtwirkung dieses französischen Opernklassikers erforderlich wäre. Von der im Programmheft zitierten “leuchtenden Komposition” war man noch weit entfernt. Da fehlte es noch an Leichtigkeit in der Wiedergabe dieser federnden Musik und an Nachdruck in den langgezogenenen sinnlichen Phrasen der Liebesszenen.
Und wenn dann die Musik endlich dramatisch wird und in der Kampfzene des dritten Aktes die flirrenden und klirrenden Degen aus dieser herauszuhören sind, müssen sich die Kämpfer mit Holzstöcken, dem sogenannten Singlestick, einen Kampf liefern, der natürlich keinen Widerhall im Orchester findet.

VINATERO heißt das Pferd, welches nicht im Libretto steht.
Ja, der Deutsche Regisseur Ben Baur verlegte die Handlung in das England des 19.Jahrhunderts und sorgte gleizeitig für die Bühne. Eine nüchterne, akustisch allerdings gut geeignete Sichtziegelwand bildete meistens den Hintergrund, darin ein hohes Portal für die Auftritte. Von der Decke hing eine riesige, zur Ausweidung bestimmte Hirschleiche, wohl auf die Kulinarik der bevorstehenden Hochzeit hindeutend, zwei riesige Tische, die auch als Hochzeitsbett dienten, umgeben von einer Unmenge Kerzen.
Auch einen Schimmel names Vinatero präsentierte man samt Reiter, dem Äußeren nach zu schließen den Tod darstellend, und ein Kind, Lilith Breuß, mimte zwischendurch die junge Julia, wie sie als Kind immer wieder den Erziehungsmethoden dieser Zeit ausgesetzt war. Wie überhaupt in einer französische Oper, zumindest historisch gesehen, ein Ballett nicht wegzudenken ist, so spiegelten und interpretierten auch hier zwei Tänzer schon während des Vorspiels und in der Folge immer wieder durch ihre Einlagen die Handlung.

Sophia BROMMER, die Juliette in Graz
Keine Frage, die aus Leonberg bei Stuttgart gebürtige Sopranistin Sophia Brommer war eine Juliette schlechthin, die jubelnd Verliebte, in jeder Geste zärtliche und hingebungsvolle, letztlich todbereite Geliebte, die aber auch all die Fröhlichkeit, die Freude, ihren Schmerz und ihre Verletzlichkeit in ihrem Gesang auszudrücken wußte. Eine ganz großartige und emphatisch dargebrachte Leistung.
Aber auch keine Frage, dass Kyungho Kim nicht der ideale Partner neben so viel weiblichem Ausdruck war. Mit eher ausdruckslos und bemüht wirkender Gestik und Mimik und kaum mit Schmelz und Farbe ausgestatteter, kopflastiger Stimme tat er sich schwer, den Mindesterfordernissen der Partie überhaupt gerecht zu werden.
Von den Mitgliedern des Ensembles sind zu erwähnen: Peter Kellner als Bruder Laurent, dessen Leichtstimmigkeit einfach nicht zu der Rolle passte und den man für einen Hauskaplan hätte halten können, Anna Bruhl als beschürztes Dienstmädel bei den Capulets, eine unter vielen anderen, sang den Stéphano! Warum, das müßte man den Regisseur fragen. Und schöne gesangliche Lichter setzt Dshamilja Kaiser mit ihrer Partie als Gertrude. Mit Graf Capulet wurde man bei Markus Butter nicht ganz glücklich. Stimmlich teuflisch der tückische Mörder Tybalt von Taylan Reinhard, und Konstantin Sfiris war in Darstellung und mit profilierter Stimme ein überlegener Herzog.
Der wie immer von Bernhard Schneider einstudierte Chor&Extrachor der Oper Graz hatte neben dem Gesang nur bescheidene Bewegungsanteile.
Mit zehn Minuten Applaus schickte man die Künstlerinnen und Künstler heim. Ein Werk, dass wegen der Hauptdarstellerin und der eher seltenen Gelegenheit mit der melodienseligen Oper Gounods Bekanntschaft zu machen, für einen Besuch in der Oper Graz empfehlenswert ist.
Peter Skorepa
MERKEROnline
Bilder : Werner Kmetitsch