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GRAZ/ Oper: LA RONDINE von G. Puccini. Premiere

13.01.2017 | Oper

La RONDINE Graz Jänner 2017

„La Rondine“ – Premiere am 12.01.2017 Oper Graz

 
„Ein Walzeralptraum zwischen den verlogenen Gefühlstrümmern der großbürgerlichen
Vorkriegszeit.” So beschreibt Autor Dieter Schickling Puccinis „La Rondine“ in seinem
umfassenden Werk über Leben, Opus samt historischer Einbettung des Komponisten. Ob sich diese düstere Schilderung über die 1917 uraufgeführte Oper bewahrheitet, lässt sich seit gestern (bis zur letzten Vorstellung am 24. März) an der Oper Graz begutachten. Zu oft bietet sich die Gelegenheit nicht, das Werk auf der Bühne sehen zu können, welches 100 Jahre nach seiner Premiere seine Grazer Erstaufführung feiert. Die Inszenierung aus dem Jahre 2015 von Rolando Villazón und seinem Team, welche in Berlin schon ein großer Publikumserfolg war, wurde jetzt von der Grazer Oper als Gemeinschaftsproduktion übernommen.

Überfliegt man das Libretto, beginnt man zu verstehen, wieso Puccinis der zunächst vorgesehene Verleger Ricordi die Oper als „billigen Lehár” abgetan hat und warum sie auch als „Traviata für Arme” bezeichnet wird.

Kurtisane Magda verlässt ihren Gönner Rambaldo, um mit Ruggero an der französischen Riviera ein
neues, bürgerliches Leben anzufangen. Besagter Ruggero weiß aber nichts davon, dass Magda ein
beflecktes Leben geführt hat. Als er ihr sagt, dass er sie ehelichen und mit ihr Kinder haben
will, verlässt Magda ihn, da sie seinen Ruf durch ihre Vergangenheit nicht zerstören will, geht
zurück nach Paris zu ihrem Geldgeber. Soweit, so Verdi. In „La Rondine“ wird aber ein zweites
Liebespaar eingeführt, die Zofe Lisette und der Dichter Prunier, die als komischer Kontrast zur
dramatischen Hauptgeschichte dienen sollen – dies ist ein klassisch gewordenes Klischee der
Wiener Operette vom Lehárschen Stil. In Villazóns Inszenierung bekommt man eher den Eindruck,
dass Magda die Zerstörung von Ruggeros Ruf nur als Vorwand nimmt, um die Beziehung mit
diesem zu beenden, weil sie nicht Mutter seiner Kinder sein will und ein ruhiges, ländliches,
gutbürgerliches Leben nicht auf Dauer aushalten kann. Diese Interpretation ist gut gewählt, gibt sie
doch eine deutliche Erklärung und Beweggründe für Magdas Verhalten.

Merklich kämpfte Puccini mit der Vertonung dieses eher seichten, ursprünglich als Operette
konzipierten Stoffes und gibt ihr eine ebenso seichte wie oberflächliche Umsetzung in Musik: Auf elaborierte thematische Durchführungen wartet man vergeblich, diese werden stets von Rezitativen
unterbrochen, Puccini bedient sich ständig musikalischer Klischees um romantische Gefühle bei
seinen Hörern auszulösen, sei es nur durch Akkorde mit zugefügten Sekunden und Quarten,
Vorhalte und wiederkehrenden Quintfallsequenzen. Zwischenzeitlich darf man sich über schöne
Melodien freuen, denen es dann einfach an Weiterentwicklung fehlt, sodass auch musikalisch ein
dramaturgischer Bogen nicht gespannt wird, ein Umstand, den man auch im Libretto vermisst.

Diese Ausgangslage macht es natürlich auch einem Regisseur sowie den Darstellern nicht einfach, Gefühle von der Bühne aus in das Publikum zu transportieren.

Tatjana Miyus als Zofe Lisette spielt im ersten Akt eher übertrieben, was die Komik dieser Rolle
schon etwas Lächerliche zieht. Im zweiten und dritten Akt ist das Spiel dann gemäßigter und sie
haucht dieser Rolle als wahrer Wirbelwind Leben ein und lässt ihre Spielpartner neben sich dunkel
und grau aussehen. Vor allem ihr romantisches Interesse Prunier, dargestellt von Pavel Petrov, wirkt
etwas klein und verloren neben Miyus‘ überschäumender Energie. Auch stimmlich hat sie die Nase
vorne, besticht durch glanzvolle Höhen und sie schafft es Lust und Lebensfreude darzustellen.
Alles Eigenschaften, die sie schon in der Titelpartie der Kurzoper Susannas Geheimnis beweisen
konnte.
Petrov hingegen hat zwar eine schöne Stimme, aber in dieser es fehlt ihm an Interpretation und
Lebendigkeit: Er bewegt sich zumeist im Mezzoforte, scheint nicht ganz zu verstehen, was er denn
genau singt und kann somit natürlich nur schwer seinen Worten Bedeutung verleihen. Schade ist
auch, dass er im Piano die Stütze fallen lässt und so nicht gegen das, ebenfalls piano spielende,
Orchester nicht ankommt. Petrov hat sicher Potential für diese Rolle, aber dafür braucht er noch
etwas Zeit.

Sophia BROMMER

Sophia BROMMER

Sophia Brommer als Magda fand auch in diesem Werk Zeit zu glänzen, vor allem, wenn sie im
hohen Register im Pianissimo singt. Ihre Stimme ist in diesen Lagen so leicht und sie verfügt über  ein zauberhaftes Vibrato. Leider ist die Stimme in der mittleren und tieferen Lage nicht besonders
kräftig, was besonders im ersten Akt, wo sie lange dieses Register bedienen muss, auffällt. Als
kleinen Kritikpunkt kann man auch noch anmerken, dass Brommer manchmal ein recht seltsam anmutendes Italienisch anwendet. Besonders hervorzuheben ist die Szene im dritten Akt, wo Magda, auf Ruggeros Bitte hin, den Brief seiner Mutter vorlesen soll. Auch spielt Brommer die Verzweiflung hervorragend, als ihr klar wird, dass sie das gutbürgerliche Leben, welches Ruggero vorschlägt, nicht haben will und es sie wieder zurück nach Paris und in den Luxus zieht. Man sieht auch aus der Entfernung, wie ihre Mimik einfriert, als Ruggero sie als Mutter seiner Kinder bezeichnet.

Nun zum Sorgenkind des Abends: Ruggero gespielt von Mickael Spadaccini. Schon in der Arie des
ersten Aktes („Parigi e la città die desideri“) fallen einige Probleme auf, die dann den ganzen Abend
begleiteten. Seine Stimme ist ziemlich hart und starr, Legatostellen fallen dem zum Opfer. Auch
singt er nicht besonders sauber, was bedeutet, dass er alle Töne von unten anschleift, wenn es sich
um einen Sprung handelt, welcher größer als eine Quart ist. Spadaccini hat auch Probleme mit der
Dynamik, die hohen Töne werden im ff gesungen; auch dann, wenn seine Duettpartnerin Brommer
im Piano singt. Leider hat er dann auch noch etwas zu wenig mit dem Dirigenten Marco Comin
zusammengearbeitet. Daher waren einige seiner Einsätze willkürlich, was dazu führte, dass an einer
Stelle er und das Orchester einen ganzen Takt auseinander waren. Gegen Ende hin schien ihm die
Partie dann etwas zu anstrengend zu werden. Bei der Premierenfeier wurde allerdings ersichtlich,
dass er ziemlich erkältet war, daher sollte man ihn vielleicht nochmals bei einer anderen Vorstellung
hören.
Dass Rambaldo von Wilfried Zelinka nicht mehr zu singen hat, ist wirklich schade. Der Bariton mit
seiner weichen und trotzdem starken Stimme macht einem Lust auf mehr, auch wenn er in „La
Rondine“ nur wenige Sätze zu singen hat. Zelinka ist auch in „Roméo et Juliette“ sowie in „Der
Zwerg“ und für Fans des Musicals auch in „Chess“ zu sehen.
Die drei Freundinnen Magdas Yvette, Bianca und Suzy gespielt von Sonja Saric, Anna Brull und
Yuan Zhang bringen auch einen frischen Wind in die Oper, auch wenn sie auch manchmal dem
Dirigenten mehr Beachtung schenken könnten um kompliziertere Einsätze auch im richtigen
Zeitpunkt zu schaffen. Aber sie haben alle sichtlich Spaß auf der Bühne und das merkt man
natürlich auch im Publium.

Sicher führte Marco Comin das Grazer Philharmonische Orchester durch den Abend. Er schaffte
das Opernhaus mit einem gut ausbalancierten Klang zu erfüllen und er achtete gut auf die Sänger,
die er bestmöglichst unterstützen zu schien. Besonders schwierig stellte sich der Beginn des zweiten
Aktes dar: Hier hat das Orchester sehr rhythmisch und flott zu spielen, der Chor unter der Leitung
von Bernhard Schneider hat seinen großen Auftritt, es befinden sich alle Statisten, Tänzer und fast
alles Charaktere auf der Bühne. Der Akt beginnt also sehr schwungvoll, doch leider ist aus dem
Schwung in den ersten Minuten ein unkontrolliertes Schwanken geworden. Glücklicherweise
fanden dann Orchester, Chor und Solisten wieder zusammen.

Zur Regie von Rolando Villazón und seinem Team wurde schon 2015 genügend geschrieben.
Anzumerken sei an dieser Stelle nur, dass die Regie beim Grazer Publikum sehr gut angekommen
ist – man konnte nur tosenden Beifall ausmachen und keinen einzigen (!) Buhruf.

Alles in allem war es aber ein sehr unterhaltsamer und kurzweiliger Opernabend. Ganz und gar
„Walzeralptraum“ ist „La Rondine“ dann doch nicht. Es ist aber trotzdem unwahrscheinlich, dass
man „La Rondine“ in Zukunft öfters aus der Versenkung holt, vor allem weil sie mit den anderen
Meisterwerken Puccinis nicht mithalten kann.

Konstanze Kaas

 

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