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GRAZ: IL VIAGGIO A REIMS von G. Rossini- Neuproduktion

Handlungslose Oper - oder doch Kantate?

12.04.2018 | Oper

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Copyright: Werner Kmetitsch/ Oper Graz

GRAZ: IL VIAGGIO A REIMS – Neuproduktion (12.4.2018)

Ein veritabler Renner müsste diese Produktion von Rossinis „IL VIAGGIO A REIMS“ werden:  am 7.04. gelangte diese im Grunde handlungslose Oper ( oder doch Kantate ? ) im Grazer Opernhaus zur mehr als gelungenen Erstaufführung.  Einhelliger Jubel am Schluß eines im Laufe des Abends immer animierteren Publikums war tatsächlich rundum verdient! Ernsthafte Beckmessereien waren wirklich nicht angebracht aufgrund der stimmigen Grundtendenz und der großen, spürbaren Freude mit der alle bei der Sache waren.     

     Wie schön eine intelligent – humorvolle Personenführung, ein Entwickeln des Abends aus der Musik heraus , ohne belehrenden Zeigefinger erleben zu dürfen. Ein kleiner Schreckmoment stellte sich ein, als die Hausdame Maddalena ( Andrea Purtic )und der Koch Antonio ( der langjährige „Grazer“ David McShane ) die ganze Gesellschaft gefangen genommen hatten und fast die Sache in die Luft gejagt hätten ( wozu das nötig war hatte sich mir nicht erschlossen ), aber das war auch gleich wieder vorbei und der Regen aus bunten Folienstückchen, der sich gleich im Karneval  über die Bühne und vom Luster her auch über den Zuschauerraum ergoß passte zum fröhlichen, Fähnchen und Fahnenschwingendem Ensemble und dem sehr guten Chor ( (Bernhard Schneider ) auf der Bühne – ein Abend zum Schmunzeln, sich Erfreuen und Geniessen auf hohem Niveau!  Ein herzliches Dankeschön dafür dem Regisseur Bernd Mottl, aber auch dem Bühnenbilder Friedrich Eggert – eine ansehnliche praktikable Drehbühne ließ die Szenen rasch und effizient abwickeln –und Alfred Mayerhofer für die Kostüme – nicht historisierend, aber bunt und vor allem für die Träger und Trägerinnen kleidsam ( das schafft ja heute fast niemand mehr !! ).

       Die musikalische Chefin, eine energische, vor innerem Feuer sprühende zarte Person , Oksana Lyniv, hatte die Fäden klar in der Hand, gab dem Ablauf den notwendigen „Drive“ und traf exzellente und sängerfreundliche Tempi. Das Grazer Philharmonische Orchester folgte mit viel Animo, vielleicht aus der Euphorie heraus manchmal ein bisschen zu laut und wenig delikat, aber wie gesagt: Beckmessereien.

     Aus dem insgesamt ausgezeichneten Ensemble erachte ich trotzdem fünf für besonders erwähnenswert. Da ist einmal die „Hausherrin“ – Madama Cortese – zu nennen: die Serbin Sonja Saric , die bereits einsprungshalber als Leonora in „Il trovatore“ begeistern konnte, sang mit voller, wunderschön timbrierter Verdi-Stimme einen begeisternden Rossini inclusive Koloraturen und strahlenden, nie nur ansatzweise scharfen Spitzentönen – bravissima! Wie glücklich kann sich Graz schätzen solch eine Stimme im Opernstudio (!!!!) zu haben. Bereits einige Jahre im Ensemble dort ist der aus der Zips in der Slowakei stammende Peter Kellner, eine echte Qualitätsstimme besitzend, die er mit Stil und Gefühl für den Lord Sidney einsetzte und auch köstlich agierte: von diesem Bass wird man auch noch eine Menge hören. Eine „Charme-Bombe“ war die aus Barcelona stammende Anna Brull als polnische Gräfin Melibea: dazu bot sie einen ebenmäßigen Mezzo im Stile einer Valentini-Terrani – was will man mehr! Ein Kabinettstück ihr Duett mit dem russischen Vertreter Conte di Libenskof in Gestalt von Milos Bulajic, der fast dauernd im Einsatz , verschwenderisch mit hohen Tönen ( eine Menge „C“ und  sogar „D“  ) aufwartete und mit prächtigem Legato und einer besonders geschmackvollen „Linea di canto“ stilistisch exzellent war. Ein Feuerwerk an Koloraturen brannte die Russin Elena Galitskaya als verrückte Contessa di Folleville ab: die junge und unglaublich zarte Künstlerin besitzt einen idealen Sopran für dieses Fach, angenehm timbriert und in der Höhe richtig aufblühend und größer werdend – superb!

     Trotzdem erhielt den größte Applaus die aus de Ukraine stammende Tatiana Miyus, die als Corinna  mit ansprechende Timbre, guter Phrasierung aber manchmal etwas verwaschenem Ton die dankbarsten Solostücke , darunter die Schlußhymne über Karl X. , in die alle miteinstimmen, darbieten durfte und in Graz schon eine Art Publikumsliebling sein dürfte. Pavel Petrov als Cavalier Belfiore präsentierte bereits einen kräftigen Tenor von südländischer Klangfarbe, ein wenig mehr an Differenzierung würde nicht schaden, der aus Oberwölz stammende Don Profondo Wilfried Zelinka räumte naturgemäß mit „ Medaglie incomparabili“ ab – auch dank der köstlichen Ideen der Koffer  und deren Inhalte, die er öffnete, wo beispielsweise als Gastgeschenk der Polin eine Mdonnenstatue, und des deutschen Barone di Trombonok eine Narrenkappe zum Vorschein kam! Letzterer wurde von Dariusz Perczak, der noch im Vorjahr im Opernstudio war , interpretiert. Ivan Orescanin war der „einarmige“  Don Alvaro – in einem Ensemble „vergaß“ er sich und fuhr die zweite Hand aus – auch ein gelungener Gag !  Don Prudenzio, der Arzt war Martin Simonovski, Don Luigino mit kräftigem Tenor Martin Fournier, als Delia und Modestina steuerte Aleksandra Todorovic, als Zefirino / Gelsomino Albert Memeti rollendeckend zum Gelingen des Abends bei.

       Einhelliger, lang anhaltender Jubel und zufriedene Gesichter wohin man blickte! Die Aussage eines Freundes traf es am Punkt: er meinte, er würde sich das Ganze gerne gleich nochmal anschauen! Welch schöneres Kompliment kann es wohl geben?

                Michael Tanzler

 

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