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GRAZ: DER FERNE KLANG – Einführung durch Stefan Mickisch

23.09.2015 | Oper

GRAZ / Oper: „Der ferne Klang“ von Franz Schreker

Einführung von Stefan Mickisch am 21.09.2015

Als Vorbereitung auf die Premiere dieser selten aufgeführten ersten Oper von Franz Schreker konnte von der neuen Intendantin Nora Schmid der Pianist und Musikwissenschaftler Stefan Mickisch gewonnen werden. Das Werk von Franz Schreker stellte bisher einen weißen Fleck in seinem Programm dar; Mickisch betrat persönliches Neuland und berichtete mit der für ihn typischen Begeisterung vom „Fernen Klang“ im besonderen und vom Werk Schrekers im allgemeinen – war er doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1912-1932) noch vor Richard Strauss der meistgespielte deutsche Komponist in Deutschland. Wie auch viele andere Künstler geriet er in der finstersten Zeit dieses Jahrhunderts in Vergessenheit – dem entgegenzuwirken hat sich Stefan Mickisch auf die Fahnen geheftet.

Infolge des geringen Bekanntheitsgrades bekamen wir ungewöhnlich viele Informationen zum Inhalt und als Tonbeispiele komplette Szenen mit musiktheoretischen Erklärungen und philosophischen Betrachtungen zu hören. Die so beliebten Ausflüge zu Wagner, Strauss… fielen diesmal der konzentrierten Präsentation des Werkes zum Opfer.

Die Geschichte des Komponisten Fritz trägt autobiografische Züge und beschreibt die Suche nach dem „reinen Klang“, den Fritz in der Ferne (Venedig) sucht und deshalb Grete – seine Geliebte – verlässt. Erst nach vielen Schicksalsschlägen und Verirrungen finden die beiden in Fritz’s Todesstunde zueinander und erleben in den letzten Minuten vor dem Tod die absolute seelische Vereinigung – Fritz erkennt, dass er den reinen Klang nicht in der Ferne, sondern in seiner Liebe zu Grete gefunden hat. Diese Erkenntnis wirft die Frage auf, ob die Oper „gut“ oder „schlecht“ ausgeht. Der Ansicht von Stefan Mickisch, dass ein paar Minuten absolute Glückseligkeit mehr ist, als manche Menschen im Laufe ihres ganzen Daseins erleben, macht nachdenklich – wir schließen uns dieser positiven Sichtweise jedenfalls an.

Die musikalische Sprache von Franz Schreker beinhaltet Einflüsse von Wagner, Puccini und an der Grenze zur Atonalität auch Schönberg, ist aber eigenständig und im Wesentlichen tonal gestaltet. Besonders das Finale, in dem der Komponist offensichtlich den reinen Klang gefunden hat, wirkt intensiv und erzeugt einen unglaublichen, emotionalen Ausdruck. Die Einschätzung von Stefan Mickisch, dass der „Ferne Klang“ auf Augenhöhe mit „Tristan und Isolde“ einzustufen ist, können wir allerdings (noch) nicht teilen. Unser Kontakt mit Schreker beschränkt sich bisher auf „Irrelohe“ in der Wiener Volksoper – wahrscheinlich muss man sich einfach tiefer auf die Klangcharakteristik dieses wenig bekannten Komponisten einlassen – wir meinen, es lohnt sich!

Der Intendantin gebührt jedenfalls Respekt und Anerkennung, dass sie für ihre erste Premiere ein Werk abseits des „Mainstreams“ ausgewählt hat und wir wünschen der Grazer Oper eine erfolgreiche Produktion und viele neugierige, aufgeschlossene Besucher.

Maria und Johann Jahnas

 

 

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