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GRAZ / Bühne Graz: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN

Mit Augenzwinkern servierte französische Unterhaltungskost, musikalisch fein gewürzt

06.02.2023 | Operette/Musical

Neven Crnic (General Bumm), Alexander Kaimbacher (Fritz) und Ensemble., Alle Fotos: Oper Graz / Werner Kmetitsch

GRAZ / Oper Graz: DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN

5. Feber 2021 (Premiere war am 14.1.2021)

Von Manfred A. Schmid

Dass Peter Lund ein gutes Händchen für die Inszenierung von Operetten hat, konnte er an der Volksoper Wien mit seiner preisgekrönten Inszenierung von Axel vor der Himmelstür und in Graz mit seiner Zirkusprinzessin schon eindrucksvoll bestätigen. Auch sein jüngster Streich, die Umsetzung von Offenbachs Die Großherzogin von Gerolstein, ist ein vor Witz funkelndes komödiantisches Feuerwerk. Diese Großherzogin hat Rhythmus und besticht mit perfektem Timing. In seiner gründlichen Bearbeitung der Vorlage geht es Lund auch darum, die Umstände der Uraufführung 1867 und die Rezeption des Werks in den darauffolgenden Jahren zu beleuchten. Dazu erfindet er eine Rahmenhandlung, in der der Komponist Jacques Offenbach, sein Librettist Henri Meilhac und Hortense Schneider, die strahlende Diva der Uraufführung, neun Jahre später erneut zusammentreffen. Offenbach will die berühmte Sängerin dazu überreden, wieder die Titelrolle, mit der sie einst zum Star wurde, zu übernehmen. Letztendlich wird sie das Angebot jedoch nicht annehmen. Zuviel hat sich inzwischen verändert, sowohl in ihrem Privatleben wie auch in politischer Hinsicht. Die Operette macht sich über den Militarismus lustig, geißelt der Unfähigkeit der Generäle, hinterfragt satirisch die Kompetenz der Machthaber und spottet über Dummheit der Bürger angesichts der allgemein herrschenden Günstlingswirtschaft.  Der ein paar Jahre nach der Uraufführung tatsächlich stattfindende deutsch-französische Krieg lässt das alles plötzlich in einem neuen Licht erscheinen: Der reale Krieg hat die Operettenhandlung längst eingeholt. Hortense Schneider zieht sich aus dem hellen Schein der Öffentlichkeit zurück, und selbst Offenbach erkennt, dass es so wohl nicht mehr weitergehen kann. Er setzt sich ans Klavier und klimpert die Anfangstakte einer Melodie, die als „Barcarole“ zu einer der Glanznummern seines nächsten Werks, der Oper Hoffmanns Erzählungen, werden wird.

Die komische, überdrehte Handlung  – Fritz, ein durchschnittlicher Mann aus dem Volk, wird ohne ersichtlichen Grund zum General befördert und in einen willkürlich vom Zaun gebrochenen  Krieg geschickt, aus dem er als siegreicher Held heimkehrt, wobei sich herausstellt, dass er den Feind mit der von ihm eingesetzten Waffe Alkohol in Form von Weinflaschen außer Gefecht gesetzt hat –  wird dadurch dieses „Theater im Theater“ nicht getrübt, sondern mit einem Augenzwinkern versehen. Die Operette nimmt sich tatsächlich selbst auf die Schaufel. Dass der beißende Witz und Humor Offenbachs auch vor ihm selbst nicht haltmacht, gehört ja zu den großen Stärken dieses Genies der geistsprühenden Unterhaltung. Peter Lund legt ihm das Bekenntnis „Ich bin Jude, ich darf über alles lachen“ in den Mund. So ist es: Er lacht. Auch über sich selbst. Vor allem aber über die verrückte, sich selbst heillos überschätzende und wichtig nehmende Männerwelt. Daria Kornysheva, für die Kostüme zuständig, steckt die Soldaten des Großherzogstums in kurze, lichtblaue Hosen, die Generäle in bunte, ordensbehangene Uniformen und gibt sie so der Lächerlichkeit preis. Auch die Choreographie von Sacha Pieper verfolgt mit spürbarer Freude dieses Ziel, wenn sie die Männer bei ihren Aufmärschen possierlich herumhopsen und den Degen – das Sinnbild der Männlichkeit und des Heldentums – von einem zum anderen weiterreichen lässt.  General Bumm, Minister Puck und Prinz Paul, das männliche Triumvirat der Spitzenpositionen, glänzen  bei ihrem Treffen, in dem sie die Beseitigung ihres Konkurrenten Fritz planen, als wendige Puppenspieler. Ein ungemein lustig umgesetzter Gag, der zu recht für große Lacher sorgt, was dem Regisseur aber auch bei der Konfrontation der Gerolsteiner Armee mit dem Feind gelingt, wenn statt Bomben Weinflaschen durch die Luft segeln und Piccolo-Sektgebinde an Fallschirmen herunterregnen.

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Mareike Jankowski (Großherzogin), Alexander Kaimbacher (Fritz) und Ensemble.

Im Gegenzug dazu ist die Großherzogin eine Frau, die mit dem ihr traditionell zugeschriebenem Rollenbild längst gebrochen hat. Sie verlässt sich nicht auf die durchwegs männlichen Würdenträger und Berater an ihrem Hof, sondern fährt mit ihnen Schlitten. Sie gibt keinen Deut auf deren angebliche, in Wahrheit ohnehin nicht vorhandene Kompetenzen, schert sich nicht um Traditionen und Hierarchien, sondern trifft ihre Entscheidungen selbständig, aus ihrem eigenen Kopf und Bauch heraus.  Fehlentscheidungen inbegriffen. Die spielfreudige Mareike Jankowski in der Doppelrolle als Großherzogin und Hortense Schneider ist mit ihrem dunklen, farbkräftigen Mezzo eine exzellente Besetzung und kontrastiert so gelungen zum hellen Sopran von Sieglinde Feldhofer, die als Wanda die etwas naive, aber bodenständige Geliebte von Fritz verkörpert, der sie partout nicht gegen die Großherzogin eintauschen will. Alexander Kaimbacher als Gast ist ein komödiantisch versierter Fritz, der nicht weiß, was und warum das alles ausgerechnet ihm passiert. Aus heiterem Himmel zum Heerführer und Favoriten am Hof befördert und dann wieder degradiert, während er ohnehin nur ein Leben in Ruhe und an der Seite seiner Auserwählten haben will.

Neven Crnic als pompös-eitler General Bumm, Ivan Orescanin als Minister Puck und Martin Fournier als Prinz Paul sind als Verschwörer-Trio so unfähig, wie sie in einer Operette eben sein sollten. Nicht zu unterschätzen ist der gut einstudierte Chor, der neben seinen stimmlichen Qualitäten wieder einmal zeigen kann, wie gut er sich bewegen und schauspielerisch einbringen kann. Nicht zu vergessen die in der Rahmenhandlung an der Seite von  Hortense Schneider federführenden Sänger Daniel Doujenis als ausdrucksstarker Jacques Offenbach und Markus Butter als dessen verdienstvoller Textdichter Henri Meilhac, der seinen Anteil an den errungenen Erfolgen herausstreicht.

 

Nicht geringzuschätzen ist auch der Anteil von Marius Burkert am Publikumserfolg im vollbesetzten Grazer Opernhaus an diesem Sonntagmachmittag. Am Pult des klein besetzten Orchesters der Grazer Philharmoniker lässt er es in den Märschen nicht martialisch donnern, sondern so erklingen, dass die Soldaten dazu wie auf Stöckelschuhen einhertrippeln können. Ein Offenbach nicht der leisen, sondern der entlarvenden Töne.

In der derzeit in Österreich abgehaltenen Dreifach-Offenbachiade – beginnend mit Orpheus in der Unterwelt an der Volksoper Wien und La Perichole am Musiktheater an der Wien – ist die Grazer Großherzogin von Gerolstein – mit ihrer mit selbstironischem Augenzwinkern servierten, höchst bekömmlichen  und musikalisch fein gewürzten französischen Unterhaltungskost – wohl der lachende Dritte im Bunde. Vorstellungen gibt es noch bis 21. Juni.

 

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