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GRAUPA/Richard-Wagner-Stätten, Schloss: ARD-PREISTRÄGERKONZERT MIT CHI HO HAN

16.02.2015 | Konzert/Liederabende

Graupa/Richard-Wagner-Stätten, Schloss: ARD-PREISTRÄGERKONZERT MIT CHI HO HAN – 15.2.2015

 

Ist Kammermusik out? Das Konzert des ARD-Preisträgers Chi Ho Han im Jagdschloss der Richard-Wagner-Stätten Graupa, bewies das Gegenteil. Der große Saal konnte die vielen Zuhörer, die bei schönstem Frühlingswetter den Weg in den idyllisch auf einer Hochebene über der Elbe gelegenen Ort gefunden hatten, kaum fassen, aber alle Besucher waren willkommen. Wenn die Kammermusik in den Musikmetropolen mehr und mehr zur Randerscheinung wird, geht man dorthin, wo sich ein neues Zentrum für die kleinere Form etabliert hat und sich seit 2011 größer Beliebtheit erfreut.

 Chi Ho Han, ein junger, gutaussehender Pianist aus Seoul mit großem Können und Preisträger des ARD-Wettbewerbes, bewies noch mehr: Die große Kunst des Klavierspiels lebt fort. Erst 22jährig, beherrscht er alle pianistischen Tugenden, wie sie die ganz Großen der Vergangenheit pflegten, und setzt sie mit jugendlicher Frische um. Privatschüler in Seoul, Studium an der Folkwang Hochschule Essen und seit 2012 an der Hochschule für Musik in Hannover, 2009 erste Erfolge bei internationalen Wettbewerben als 17jähriger, jüngster Teilnehmer beim 13. Internationalen Beethoven Klavierwettbewerb in Wien (3. Preis), Konzertauftritte in Zürich, Bonn, Dortmund, Dublin und Seoul sind die bisherigen Stationen seiner künstlerischen Laufbahn. Beim 63. Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München wurde er 2014 mit dem 2. Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet.

 Mit einem anspruchsvollen, sehr farbenreichen Programm, großem Können, uneitlem Auftreten, jugendlicher Frische und viel Temperament begeisterte er das Publikum in Graupa. Trotz seiner Jugend beherrscht er die ganze Palette pianistischen Könnens, einschließlich wirkungsvoller Effekte. Mit tadelloser Technik und großer Virtuosität, aber immer auch mit der entsprechenden Klarheit und Transparenz stellte er sich auf jeden Komponisten in seiner Individualität und dessen Werk ein.

 Sein Programm begann Chi Ho Han mit „Präludium und Fuge Nr. 12 f‑Moll“ aus J. S. Bachs „Wohltemperiertem Klavier“, Teil I, einfühlsam und auf die Klarheit der polyphonen Strukturen orientiert.

 Joseph Haydns „Andante con variazioni für Klavier f‑Moll“ (Hob. XVII:6) gab ihm Gelegenheit zu den ersten virtuosen Passagen. Trotzdem hatte er den Charakter der Haydnschen Musik durchaus erfasst und ließ auch den immer wieder durchschimmernden Humor aufblitzen.

 Ludwig van Beethovens „Sonate Es‑Dur“ (op. 31, Nr. 3) gab ihm Gelegenheit, mit der Geläufigkeit seiner Finger ein Feuerwerk gebändigter Virtuosität entstehen zu lassen, unterstützt durch sehr sinnvollen Einsatz des Pedals. Kein Wunder, dass da hin und wieder verfrühter Applaus einsetzte.

 Pjotr I. Tschaikowskys innere Tragik lag ihm allerdings bei seiner Jugend verständlicherweise noch fern. Bei den „Thema mit Variationen“ (op. 19, Nr. 6) betonte er naturgemäß die virtuose Seite.

 Ganz in seinem Element war er hingegen bei Frédéric Chopin, bei dessen Musik sich hinsichtlich Interpretation nicht selten die Geister scheiden. Manche Pianisten betonen die kraft- und temperamentvolle Seite der polnischen Mentalität, andere hingegen die feinsinnige französische Art, die Chopins Naturell entsprach. Chi Ho Han wählte mit Feingefühl den „goldenen Mittelweg“ – auch in der Wahl der Tempi – und wurde damit beiden Seiten gerecht. Sein Spiel war kontrastreich, temperamentvoll und lyrisch, jeweils entsprechend dem Charakter der ausgewählten Stücke, 3 Mazurken” (op. 56), “Ballade” (op. 52 Nr. 4) und “Scherzo“ (op. 54 Nr. 4) bis er sich mit der virtuos und sehr temperamentvoll gespielten „Polonaise“ (op. 53) endgültig in die Herzen der Zuhörer spielte.

 Als junger, hoffnungsvoller Pianist beherrscht er eine hervorragende Technik wie selbstverständlich, versteht es, die besten Seiten der Tradition mit allen Registern wieder aufleben zu lassen und mit seiner jugendlichen Kraft in die Gegenwart zu holen. Er orientiert sich an der großen Kunst des Klavierspiels der ganz Großen der Vergangenheit mit allen Gestaltungsmöglichkeiten von gefühlvoll bis mitreißend, stürmisch und feinsinnig, mit kraftvollem und feinem, klingendem Anschlag. Frische und Kraft der Jugend scheinen bei ihm unerschöpflich.

 Mit eben dieser Frische und viel Temperament verwöhnte er das aufmerksam zuhörende Publikum nach dem vielseitigen Programm noch mit 2 Zugaben, der virtuosen „Paraphrase über W. A. MozartsRondo alla turca“ (Türkischer Marsch) aus der Klaviersonate Nr. 11“ von dem grandiosen Pianisten Arkadi Volodos und der „Widmung“ („Du meine Seele, du mein Herz“) von Robert Schumann in einer Bearbeitung von Franz Liszt, bei dem nicht die menschliche Stimme, sondern das Klavier unter Chi Ho Hans Händen leidenschaftlich „sang“.

 Ingrid Gerk

 

 

 

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