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GRAFENEGG/ Wolkenturm: Cello-Virtuose trifft auf das Orchestre National de France

02.09.2024 | Konzert/Liederabende

GRAFENEGG/ Wolkenturm: Cello-Virtuose trifft auf das Orchestre National de France

 In Grafenegg treffen jeden Sommer Spitzenorchester und die besten, internationalen SolistInnen aufeinander – entsprechend hoch sind die Erwartungen des Publikums. Nicht immer wird man im zauberhaften Ambiente des romantischen Gartens neben dem entzückenden Renaissance-Schlösschen vollkommen verzaubert.

Edward Edgars letztes größeres, vollendetes Werk, das Cello-Konzert e-Moll op.85, entstand 1918/19, nachdem der Komponist eine Mandeloperation hinter sich gebracht hat, seine Ehefrau stark kränkelte (und bald verstarb) und Europa nach dem 1. Weltkrieg in Trümmern und Asche lag. „Alles Gute und Erfreuliche und Reine und Frische und Liebliche ist weit weg – und wird nie mehr wiederkehren“ beklagte er. Diese schwermütige Stimmung ist in Edgars Opus zu hören, wenn Gautier Capuçon, einer der bedeutendsten Cellisten weltweit, traurig und mit Wehmut im 1. Satz zum virtuosen Solo ansetzt, bevor die pompöse Intonierung der Violen ins Hauptmotiv des Orchesters übergeht. Der Franzose zeigt in Folge springende, schnellste Akkorde und flirrende Rhythmen ebenso wie weiche, zärtliche Farbenvielfalt. Doch erst im letzten Satz kommt beim Orchestre National de France ein Anflug von Dynamik auf und eine bedrohliche Klangkulisse kann beim schwungvollen Finale mit abruptem Ende gezeichnet werden. Unter dem Dirigat von Cristian Mācelaru, immerhin Grammy-Gewinner und seit 2020 Musikdirektor des französischen Nationalorchesters, fehlt dem normalerweise innigen und leidenschaftlichen Werk größtenteils Saft und Kraft, Glanz und Dramatik.

Als Höhepunkt des lauen Abends erweist sich die Zugabe „Nimrod“ aus Edgars Enigma-Variationen op. 36. Capuçons Präsentation kann eindrucksvoll mitreißen und für Gänsehaut-Gefühle sorgen.

Nach der Pause besinnt sich das Orchestre National de France auf sein Standardrepertoire und präsentiert die populäre „Symphonie fantastique. Épisode de la vie d´un artiste“ op. 14 von Hector Berlioz, geschrieben im Liebesrausch für die irische Schauspielerin Harriet Smithson. Die sanfte Einleitung des 1. Satzes vermittelt träumerische Szenarien des Kennenlernens und leidenschaftlichen Elan und führt im nächsten Satz mit verspielter Walzermusik und dominantem Flöten-Solo zur beschwingten Stimmung, als Berlios fantasierte, seine Geliebte auf einem Ball wiederzusehen. Englischhorn-Weckrufe, die in Dialog mit den Bläsern treten, finden im 3. Satz mit viel harmonischen Elementen zu einer ländlichen Idylle, bevor mit festlich klingenden Fanfaren und dem „Marche de supplice“ Berlioz musikalischer Erfindungsreichtum einen Gang zum Richterplatz eines zum Tode verurteilten Helden simuliert. Zuletzt wird „Hexensabbat“ imposant und mit großer Tragik dargeboten. Die Bässe dröhnen und Glocken schlagen unheilvoll Mitternacht und den Tanz der Toten ein, als es zum pompösen Finale mit vollem Orchestereinsatz kommt.

Zuletzt bringen die französischen Musiker mit dem Rumänen am Dirigentenpult als Zugabe mit Georges Bizets Farandole aus der L´Arlésienne-Suite Nr. 2 noch ein etwas undifferenziertes Getöse und die Gäste danken mit kurzem Applaus.

Susanne Lukas, Grafenegg, 31.8.2024

 

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