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GRAFENEGG / Wolkenturm: Bayreuth zu Besuch mit WALKÜRE

Drei leuchtende Stars im Opernhimmel am Wagram

30.08.2024 | Oper in Österreich
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Günther Groissböck, Vida Mikneviciute, Michael Spyres und das Orchester der Bayreuther Festspiele, (Handy-)Foto;: M.A. Schmid

GRAFENEGG / Wolkenturm: BAYREUTH mit Starbesetzung zu Gast am Wagram

29. August 2024

Von Manfred A. Schmid

Einen Sommer lang wurde am legendären „grünen Hügel“ fast tagtäglich Wagner gespielt. Es gibt wohl kaum ein Orchester, das derzeit besser auf diese Musik eingestellt ist als das Orchester der Bayreuther Festspiele, das nach Abschluss einer glanzvollen Saison zu einem außergewöhnlichen Gastspiel im Wolkenturm von Grafenegg angereist ist. Kann schon sein, dass sich gegen Ende der Spielzeit da und dort etwas Routine eingeschlichen haben mag. Aber die Herausforderung eines neuen Spielorts, noch dazu von so einzigartiger Qualität wie hier am Wagram, hat gewiss dazu beigetragen, dass noch einmal alle Erfahrung, Spielbegeisterung und gestalterisches Können in geballter Kraft aktiviert werden, um ein fulminantes Finale eines würdigen Festspielsommers herbeizuzaubern. „Der Ritt der Walküren“ aus dem dritten Aufzug der Oper Die Walküre von Richard Wagner nach der Pause, elektrisiert, unter der Leitung von Pablo Heras-Casado, geradezu das Publikum. Das war bei diesem „Reißer“ allerdings zu erwarten, gehört er doch zu den bekanntesten Stücken des Meisters aus Bayreuth und ist vielen auch als ideal eingesetzte Filmmusik zu Francis Ford Coppolas Film Apocalypse Now bestens vertraut. Das Blech und die Holzbläser brillieren in den rhythmisch akzentuierten Läufen, imposant auch der Einsatz der Tschinelle, die von unten in die Höhe emporschnellt und ihre effektvolle Wirkung entfaltet. Ein Eindruck, der einem bei einer üblichen Opernaufführung, mit Instrumentalmusik aus dem Orchestergraben, naturgemäß verwehrt bleibt.

Was davor geboten wurde, ist allerdings um einiges anspruchsvoller. Der konzertant aufgeführte erste Aufzug der Walküre, das Aufeinandertreffen von Siegmund, Sieglinde und Hunding, ist für ein Open-Air-Sommerfestial ziemlich schwere Kost. Ein reich mit Leitmotiven versehenes Beziehungsdrama, das musikalisch nur mit Siegmunds befreiender Beinahe-Arie „Winterstürme wichen dem Wonnemond“, von Michael Spyres wunderbar schwärmerisch-sehnsuchtsvoll interpretiert, auf allgemeine Bekanntheit pochen kann. Mag sein, dass das der Grund ist, wieso die Reihen der Besuchertribünen an diesen Abend, trotz der angekündigten Starbesetzung, nicht ganz ausgelastet sind. Für Kenner aber ist dieser Programmpunkt ein gesangliches Labsal und von erregender Qualität, kommt dabei doch auch die litauische Sopranistin Vida Mikneviciute als Sieglinde zum Einsatz, die heuer, an der Seite von Spyres, in der Bayreuther Walküre von Publikum und Presse ebenso gefeiert worden ist wie der aus Missouri stammende Tenor, der sich gerne als  „Baritenor“ bezeichnet, weil sein Stimmumfang enorm ist und drei Oktaven übersteigt. Spyres ist kein herkömmlicher Heldentenor mit metallischem Kern, sondern verweist stimmlich auf eine starke Affinität zu Barock- wie auch Belcanto-Opern und hat an der Wiener Staatsoper wohl auch deshalb zunächst als Don Ramiro in La Cenerentola debütiert. Seine Art, Wagner zu singen, ist einzigartig und eröffnet eine neue, weit offenen Dimension, locker, unangestrengt und einnehmend sowie von einer schier unübertrefflicher Wortdeutlicheit – und das bei einem Amerikaner! Mikneviciute kann nur bei der Textverständlichkeit nicht ganz mithalten, ist ihm aber stimmlich ebenbürtig und ebenfalls ein neuer Typ für den Wagner-Sopran. Eine schlanke, schöne Stimme mit starker emotionaler Ausdrucksfähigkeit.

Georg Zeppenfeld war der Hunding in Bayreuth, in Grafenegg ist es Günther Groissböck, der, am Tag vor dem Konzert von OPERA WORLD zum „Top Bass“ gekürt, in der Rolle des hartherzigen, gestrengen und eifersüchtigen Ehemanns Sieglindes gleich eine leibhaftige stimmliche Bestätigung dieser Auszeichnung abliefert. Ein Paradebeispiel seiner Darstellungskraft ist die anschließende Gestaltung der Abschiedsszene „Leb‘ wohl, du kühnes, herrliches Kind!“ am Schluss der Oper, wenn sich Wotan schweren Herzens von seiner Lieblingstochter Brünhilde trennen muss, die aus guten Gründen gegen seine Anweisung gehandelt hat und der er deshalb die Gottheit „wegküssen“ und sie dem Schicksal des Feuerzaubers überlassen muss. Eine der berührendsten und schönsten Liebesszenen der Opernliteratur, auch wenn sie schon eher ins Baritonfach weist und Groissböck herausfordert, fein gestaltet von einem der großen Stars im Opernhimmel, in dem auch Vida Mikneviciute und Michael Spyres hell aufleuchten.

 

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