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GÖRLITZ/Zgorzelec: Synagoge, St. Bonifatiuskirche: „WANDELKONZERT BACH ÜBER FLUSS“ MIT PIOTR ANDERSZEWSKI BEIM LAUSITZ FESTIVAL

03.09.2021 | Konzert/Liederabende

Görtlitz/Zgorzelec: Synagoge, St. Bonifatiuskirche: „WANDELKONZERT BACH ÜBER FLUSS“ MIT PIOTR ANDERSZEWSKI BEIM LAUSITZ FESTIVAL – 2.9.2021

Brücken verbinden – das meinte auch der polnische Ausnahmepianist Piotr Anderszewski, der im vergangenen Jahr einen vielbeachteten Klavierabend im Rahmen des Lausitz Festivals in der Orangerie von Schloss Muskau gegeben hat, und schlug vor, in der, 1945 gewaltsam geteilten, Stadt Görlitz ein Wandelkonzert zu veranstalten, bei dem die Besucher vom deutschen Teil über die Brücke in den polnischen Teil wandern und damit ideell die beiden Teile der Stadt wieder vereinen.

Er begann sein „Doppelkonzert“ mit „Präludien und Fugen“ aus dem „Wohltemperierten Klavier – Teil II“ von Johann Sebastian Bach in der Synagoge von Görlitz, einem Jugendstilbau von Lossow & Kühne (die auch das Dresdner Schauspielhaus und den Leipziger Hauptbahnhof entworfen haben), der 1911 geweiht wurde, der Pogromnacht entging, aber nicht mehr genutzt werden durfte und in den Besitz der Stadt überging. Nach 1945 verfiel der Bau zunehmend. Nach jahrelanger Restaurierung des ruinösen Zustandes und Rekonstruktion des Innenraumes, die 2020 abgeschlossen werden konnten, dient die Synagoge seit 2021 als Kulturforum, d h. Veranstaltungs-,Gebets- und Gedenkhaus.

Anderszewski spielte nach seinem inneren Verständnis, fern jeder historisch informierten Aufführungspraxis auf einem modernen Konzertflügel von Steinway & Sons mit relativ hartem Anschlag, sehr virtuos und mit ehrlicher Empfindung, so wie es ihm sein Gefühl und seine Musikalität eingaben und holte damit Bach ins Hier und Heute.

Danach ging es zu Fuß (oder per Shuttlebus) über eine der Brücken in den polnischen Teil der Stadt, nach Zgorzelec in die 1930 eingeweihte St, Bonifatiuskirche, wo ein offenbar präparierter Konzertflügel bereitstand. Darüber wurde nicht gesprochen, aber man konnte es sehen und vor allem hören. Hier setzte Anderszewski sein Programm mit Bachs „Präludien und Fugen“ fort, schob beinahe unauffällig in nahtlosem Übergang überraschend eine Sonate von Ludwig van Beethoven ein, deren Nähe zu Bach plötzlich offenbar wurde, und setzte danach in einem ebenso nahtlosen Übergang mit Bach fort. Auch seine Zugabe nach dem begeisterten Applaus widmete er wieder Bach.

Man möchte fast sagen ein “Popstar der Klassik“, aber sein pianistisches Niveau und seine geistvolle Art gingen weit über derartige Vergleiche hinaus. Es war ein sehr beeindruckender Abend, nicht nur wegen der ungewöhnlichen Wahl der Aufführungsorte und des symbolträchtigen Weges über die Brücke, sondern auch wegen seiner aus musikalischem Verständnis geborenen Idee und deren Ausführung auf höchstem pianistischen Niveau. Er hatte erreicht, was er wollte, die Menschen einer zweigeteilten Stadt wieder zusammenzubringen und Beethovens Nähe zu Bach und beider Bedeutung und Aktualität für unsere Zeit aufzuzeigen.

Ingrid Gerk

 

 

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