GIUSEPPE VERDI: UN GIORNO DI REGNO – Coviello Classics 2 CDs; live Mitschnitt aus dem Festspielhaus Congress Centrum Heidenheim 2017
Das melodramma giocoso „König für einen Tag“ war eine Oper für nur einen Tag, so so himmelschreiend musste der Misserfolg bei Publikum und Presse gewesen sein, dass die erste Vorstellung (aus Verdis Sicht nicht zuletzt wegen lustloser Sänger) für lange Zeit auch die letzte war. Wie findet sich nun der heutige Hörer in diesem „Labyrinth veralteter Formen, abgestandener Phrasen und nur zu sehr sich nach kalter und sklavischer Nachahmung hinneigender Motive“ (Zitat aus der Zeitschrift „La Moda“ nach der Premiere an der Mailänder Scala am 5.9.1840) zurecht. Ich würde sagen, ausnehmend gut; die Oper als Verwechslungskomödie um den falschen polnischen König Stanislaw Leszczynski hält manch Amüsement für das nach schwungvoller Zerstreuung lechzende Ohr bereit. Die damaligen strengen Originalitäts-Maßstäbe und Moden gelten heute nicht mehr. Sicherlich, die Chöre sind Dutzendware und die zu langen Rezitative nerven. „Un Giorno die Regno“ klingt halt wie ein Hybrid (böse Zungen könnten sagen Parodie) aus Donizetti und Rossini. In Ansätzen zeigt der Magier Verdi aber schon seine Theaterpranke, seine so exquisite Charakterisierungskunst mit knappen Mitteln, wie das mitreissende Sextett im ersten Akt belegt. In der Oper finden sich dem Zeitgeschmack entsprechend auch romantisierendes Pathos und so mancher Hauch Semiseria. Die persönlichen Umstände der Komposition waren auch nicht gerade förderlich, weil Verdi wegen des plötzlichen Todes seiner Frau im Juni 1840 seine zweite Oper verständlicherweise unter enormer Anspannung fertigstellen musste.
Heute können wir diese vor schöner melodischer Eingebung und zündendem italienischem Buffaton reich gesegnete Oper vorbehaltlos genießen. Der vorliegende Live-Mitschnitt der Festspiele Heidenheim ist daher sicherlich ein jedem Melomanen willkommenes Album, ist der Tonträgermarkt bei solch „Nebenrepertoire“ doch äußerst bescheiden. Neben der Jahrhundertaufnahme unter Lamberto Gardelli mit Jessye Norman, Cossotto, Carreras und Wixell aus dem Jahr 1974 gibt es noch eine alte RAI Aufnahme unter Simonetto mit Bruscantini, Paliughi, Oncina und Capecchi sowie zwei Filmdokumente (DVD) aus Parma 1997 mit Coni, Antonacci, Gasdia und dem Emilia Romagna Sinfonieorchester unter Maurizio Benini bzw. später unter Donato Renzetti.
Die Stärke der Aufnahme aus Heidenheim liegt in der großen Spielfreude, dem launigen Brio und dem goldrichtigen Komödientempo. Die daraus rührende Kurzweil ist vor allem dem Dirigat vom Marcus Bosch zu danken, der seit Sommer 2010 als Künstlerischer Direktor die Opernfestspiele seiner Heimatstadt Heidenheim und deren Festspielorchester Cappella Aquileia erfolgreich leitet. Der tschechische philharmonische Chor aus Brünn und eine Besetzung, die vom schwedischen Mezzo Elisabeth Jansson (sämig üppige Stimme mit schönen Piani in der Kuppel) und der australischen Sopranistin Valda Wilson (agil cremiger Spinto mit Entwicklungspotential) angeführt wird. Die Herrenriege (Gocha Abuladze als Cavaliere Belfiore, Davide Fersini als Barone Kelbar, Giuseppe Talamo als Edoardo Di Sanval, David Steffens als La Rocca und Leon De La Guardia als Conte Ivrea) schlägt sich tapfer, wenngleich manch rauh verwackelter Ton oder angestrengte Höhe bisweilen das Hörvergnügen trübt. Nichtsdestotrotz überzeugen der gelungene Buffoton Gocha Abuladzes oder die untadelige Gesangstechnik von Giuseppe Talamo, der die schwierige Rolle des Edoardo als eigenartig heldischen Nemorino- Verschnitt mit mehr als Anstand meistert.
Wie aus den Szenenfotos der Aufführung im Booklet ersichtlich, ließ die Regie (Barbora Horáková Joly) das Stück in der Pizzeria dal Barone in den 70-erJahren spielen, wobei die politischen und amourösen Intrigen der Aristokratie in Paris des 18. Jahrhunderts auf Strukturen eines fiktiven Mafia Clans übertragen werden. Wer sich für die weitgehende dem Nonsens verpflichtete Handlung näher interessiert, möge sie bitte im Internet nachlesen.
Fazit: Großes und kurzweiliges Hörvergnügen einer grosso modo durchaus unterhaltsam interpretierten Oper, aller stilistischen Anleihen (Wilhelm Tell, Norma,….) und „augenzwinkernder“ Ironie mit dem Holzhammer zum Trotz.
Dr. Ingobert Waltenberger