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Gesa Finke: DIE KOMPONISTENWITWE CONSTANZE MOZART

12.10.2013 | buch

BuchCover Finke, Constanze Mozart

Gesa Finke:
DIE KOMPONISTENWITWE CONSTANZE MOZART
Musik bewahren und Erinnerung gestalten
Band 2 der Reihe „BIOGRAFIK. Geschichte – Kritik – Praxis
356 Seiten, Böhlau Verlag 2013

Constanze Mozart hat einen besonders schlechten Ruf. Gesa Finke blättert ihn ausführlich auf, von Mozart-Biographie zu Mozart-Biographie (wobei klar wird, dass die meisten von einander abgeschrieben haben): Ihre Funktion für Mozart wird auf die eines sinnlichen Betthäschens reduziert, ihre Moral gering bewertet. Je mehr man Mozart verklären möchte, umso schlechter kommt Constanze weg, und auch jüngere Arbeiten, die das differenzierter sehen möchten, können wohl kaum mehr etwas daran ändern.

Gesa Finke, die ihre voluminöse Dissertation für die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg nun zwischen Buchdeckeln vorlegt, möchte – auch angesichts von Constanzes 250. Geburtstag im Jahre 2012 – nun dieses Bild zurechtrücken. Teilweise zumindest. Nicht jenes als Mozarts Gattin, dieser Teil der Biographie wird nicht berücksichtigt. Wohl aber jener nach Mozarts Tod. Denn da hat sich Constanze, wie mit größter Ausführlichkeit dargelegt wird, dann tatsächlich bewährt – nicht nur darin, wie ihre Feinde sagen, aus Mozarts Nachlass jeglichen finanziellen Nutzen zu ziehen, sondern auch, diesen Nachlass zu bewahren, zu sichern und die Erinnerung an ihren Gatten zu „gestalten“ und möglichst dafür zu sorgen, dass seine Größe nicht vergessen wurde.

Mit einer Ausführlichkeit, die sich nur Dissertationen leisten können, beschäftigt sich die Autorin zu Beginn mit der Stellung von Witwen zu Constanzes Zeit – Mozart starb 1791, und Ende des 18. Jahrhunderts war es gar nicht so einfach für die Frauen, denn es gab keine automatischen Witwenrenten. Constanze fand sich also angesichts von Mozarts Schulden in einem finanziellen Notstand. Das hat sie bewältigt. Aber sie war als Witwe – eine junge Witwe, knapp 30 Jahre alt – zum ersten Mal in ihrem Leben auch in der Situation, selbst bestimmen zu können. Und man kann sagen, dass sie ihr weiteres Leben der Anstrengung widmete, die beiden Mozart-Söhne (die sie zuerst nach Prag schickte) zu Musikern zu erziehen, Mozarts Nachlass zu ordnen und zu sichern und schließlich Material für eine Biographie zusammen zu tragen.

Benefizkonzerte erleichterten ihre finanzielle Lage, und immerhin unternahm sie mit ihrer Schwester Aloysia Lange, die ja in der Musikwelt nicht unbekannt war, eine Konzertreise in wichtige Musikstädte (in der sie auch als Sängerin auftrat), die vermutlich nicht nur in Hinblick auf das Geld, sondern auch auf Mozarts Erinnerung hin unternommen wurde.

Constanze fand wichtige und auch kompetente Unterstützung durch den schwedischen Diplomaten Silverstolpe, mehr noch durch den dänischen, in Wien tätigen Diplomaten Georg Nikolaus Nissen, den sie später heiratete – nicht, ohne ihrem neuen Namen stets die Bezeichnung „gewesene Witwe Mozart“ hinzufügen.

Natürlich ist das Nachleben der Mozart-Witwe (sie überlebte den ersten Gatten um mehr als 50 Jahre) nicht ohne Stolpersteine, ihre Leistungen, etwa in den zähen Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel über eine Gesamtausgabe, die nur zur unvollständigen Werkausgabe gedieh, werden teilweise auch gering geschätzt. Und selbst Autorin Gesa Finke geht mit der dicken Biographie, die von Constanze und Nissen geschaffen und unter seinem Namen herausgebracht wurde, nicht glimpflich um. Offenbar haben die beiden vor allem zwei schon vorhandene Biographien abgeschrieben und mit zusätzlichem Material aufgefettet, wobei allerdings das Zusammentragen dieser Materialsammlung – besonders der Briefe – als eigene Leistung zu erachten ist. Constanze hat auch in Fragen des Mozart-Denkmals mitgewirkt (sie lebte in ihren späteren Lebensjahren, nachdem sie mit Nissen kurz von Wien nach Kopenhagen gegangen war, in Salzburg) und dem neu gegründeten Mozarteum viele Geschenke gemacht, Autographen aus ihrem Besitz ebenso wie Geld.

Die Autorin beweist eindeutig, dass die Erinnerung an Mozart und deren „Medialisierung“ die Lebensaufgabe dieser Constanze war, wobei eine sachliche Dissertation sich nicht in Spekulationen ergeht, was sie warum getan hat. Dazu gibt es genügend Romane, denn Constanze ist in der Musikgeschichte wohl nach Cosima Wagner die interessanteste Komponistenfrau. Die Ehrenrettung ist in diesem Buch, das ganz breit auch die Zeit malt, in der sich Constanzes Bemühungen um die „Mozart Erinnerungskultur“ abspielten, wohl gelungen. Mit seinem Umfang und seiner Genauigkeit kein Buch für Ungeduldige, aber Geduldige werden reich bedient.

Renate Wagner

 

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