Gera, Theater Altenburg/Gera : D‘Albert DIE TOTEN AUGEN am 17.Mai 2025
Foto: Ronny Ristok
Das Theater Altenburg/ Gera macht immer wieder mit ausgefallen, guten Produktionen von sich Reden. Mit der Oper „Die toten Augen“ gelingt dem Haus in jeder Hinsicht ein Volltreffer. Erstens ist das Werk eine längst überfällige Wiederentdeckung erster Qualität. Die vielschichtige, nicht landläufige Opernhandlung wirft Fragen auf und diversen Interpretationsspielraum.
Ähnlich wie in Tschaikowskis “Iolanta“ wird eine Blinde wundersam zur Sehenden, jedoch hier nicht mit glücklichem Ausgang. Biblische Verschränkungen und Gleichnisse sind in die Geschichte eingewebt. Eine Dreiecksbeziehung ganz eigener Art, auch mit Parallelen zu „Die Schöne und das Biest“, entspinnt sich und wird stringent und mitreißend erzählt. Musikalisch ist das grossbesetzte Werk ein rauschhaft, spätromantisches Klangfest mit Sogwirkung. Kompositorisch fast „Tiefland“ übertreffend, gelingt Eugen d‘ Albert ein straffes, vielfarbiges Opus, würdig weit häufiger in den Spielplänen der Opernhäuser einen Platz zu finden.
Regisseur und Intendant KAY KUNTZE. Ist klug , den frührömoschen Stoff, der zu Jesu Lebzeiten spielt, nicht historisierend in Szene zu setzen. Die Handlung spielt im „Seelenraum“ der blinden Protagonistin und öffnet und verschließt sich mit deren Sehkraft kongruent.
Bühne und Kostüm (MARKUS MEYER) sind dabei stilistisch in Entstehungszeitsnähe der Oper um 1913 gerückt, und erlauben schlackenfrei, die Essenz des Geschehens herauszuschälen. Das seelisch grausame Kammerspiel zwischen dem körperlich entstellten Ehemann, seiner schönen Frau und dem zunächst entsagendem Liebhaber entwickelt sich mit Eindringlichkeit und eskaliert in einem Mord. Entsagung bringt dann dunkle Ruhe und vermeintliche Idylle zurück, aber viele offene Wunden bleiben.
Die höchst anspruchsvollen Gesangspartien werden gerade in den Hauptrollen in Gera bravourös gestaltet.
ANNE PREUSS alsl Myrtocle, der die zentrale Gestaltung der zunächst blinden, dann sehenden Ehefrau zukommt, singt die dramatischen Bögen wie die lyrischen Passagen mit großer stimmlicher Beherrschung und spielt gerade zum Ende in der neuerlichen Blendung eine anrührende, liebende Hauptfigur. Eine Entdeckung im dramatischen Baritonfach darf man ALEJANDRO LARRAGA SCHLESkE nennen, der teils mit mächtigem Impetus, aber auch mit zarter Zugewandtheit die Nöte des missgestalteten Ehemanns Arcesius sensibel fühlbar macht. ISAAK LEE als bester Freund Galba hat in den sehr prägnanten Autritten die markante Strahlkraft eines jugendlichen Heldentenors. Beide männlichen Hauptrollen seien stellvertretend für die hervorragende deutsche Diktion der nicht muttersprachlichen Sänger genannt. Auch der ikonische Auftritt Maria von Magdalas, erhält durch die große vokale Präsenz von FRANZISKA WEBER Würde und Gravitas.
Besetzungstechnisch stößt ein kleines Haus auch an Grenzen, wenn es ein komplette Liste für eine hochdramatische Oper erstellen soll. Positiv herausgehoben seien unter den Mägden noch JULIA GROMBALL als Arsinoe mit leuchtendem Sopran, CAROLINE NKWE als vorwitzige Rebecca und JANA LEA HESS als mäßigende Ruth. Der kleine, aber prägnante skurrile Auftritt des Ägypters Ktesiphar von JOHANNES PIETZONKA bleibt ebenfalls positiv in Erinnerung.
Das übrige Ensemble, die Chorsolisten sowie der Chor werfen sich allesamt engagiert ins Gesamtgeschehen und verhelfen dieser Ausgrabung zu einem sensationellem Erfolg.
Dem jungen Dirigenten SUNGJIN KIM gelingt eine überzeugende Interpretation. Das Philharmonische Orchester des Theaters Altenburg/ Gera spielt diese sehr anspruchsvolle Partitur mit Bravour und feinem Gespür. Herausragende Soli ( Flöte, Solovioline und Englischhorn) , aber auch schöne Klangkultur im Tutti bereiten ein außerordentliches, exquisites Hörvergnügen.
Das vollbesetzte Auditorium ist einhellig begeistert.
Eine große Gratulation an das Theater und seine Mitwirkenden zu einem sensationellem Abend .
Christian Konz