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Georg NIGL – der Mann mit den vielen Gesichtern

23.12.2016 | Sänger

GEORG NIGL: DER MANN MIT DEN VIELEN GESICHTERN.

DAS INTERVIEW MIT DEM NEUEN PAPAGENO FÜHRTE PETER DUSEK (22.12.2016)

Georg Nigl (c) Anita Schmid
Georg Nigl. Copyright: Anita Schmid

Wir treffen uns mit dem neuen Papageno am Tag vor seinem Staatsoperndebüt im Cafe Landtmann. Georg Nigl ist locker, entspannt und freut sich auf die beiden „Zauberflöte“- Vorstellungen. Er gilt als Spezialist für angeschlagene Charaktere vom Typ Wozzeck, als Lieblingssänger der Uraufführungskomponisten und als „Mann mit den vielen Gesichtern“. Er ist zweifellos ein „rising star“, 2015 wählte ihn die „Opernwelt“ zum Sänger des Jahres. Fast alle große Dirigenten haben mit ihm gearbeitet, schätzen seine Musikalität und Wortdeutlichkeit.

D: Wieso der kautzige „Vogelmensch“ zum Debüt in seiner Geburtsstadt Wien?

N: Sie wissen doch, dass ich ein Schüler  und glühender Fan von Hilde Zadek bin. Als das Opernmuseum in der Hanusch-Gasse eine Zadek-Ausstellung organisierte sprachen zwei Personen: Dominique Meyer und meine Wenigkeit. In der Folge hat er sich mit mir getroffen und mich gefragt, womit ich an der  Staatsoper beginnen will. Meine Antwort kam prompt: als Papageno! Erstens bin ich gebürtiger Wiener, mein großes Vorbild heißt Erich Kunz und außerdem bin ich schon vor 30 Jahren in der „Zauberflöte“ auf der Bühne gestanden. Und zwar als 1. der Drei Knaben in einer Vorstellung mit Francisco Araiza und Sona Ghazarian. Ich war nämlich bei den Wiener Sängerknaben.

D: Sie sind gebürtiger Wiener und Jahrgang 1972, war ihre Familie musikalisch oder gar „opernlastig“?

N: Nein gar nicht, mein Vater war Schneider, meine Mutter war mit insgesamt 5 Kindern als Hausfrau ausgelastet, keine Rede von Klassik oder Oper!

D: Und wie kommt man da zu den Sängerknaben?

N: Durch Zufall oder durchs Schicksal. Wir wohnten im zweiten Bezirk und bei Spaziergängen in den Augarten gefielen mir ihre Uniformen und als ich sie beim Singen hörte war es um mich geschehen…ich wollte zu den Sängerknaben!

D: Und nach den Sängerknaben wollten sie Sänger werden?

N: Mit einigen Umwegen? Nach dem Stimmbruch, der bei mir sehr spät mit 16 einsetzte gab es Jahre der „Suche“. Ich war Pfleger im Spital, arbeitete als Statist im Burgtheater, trat in der Burg in einem Achterbusch-Stück al Sänger auf und entschied mich schließlich für ein Musikstudium. Entscheidend war meine Begegnung mit Michael Scheidl, dem Leiter von „Netzzeit“. Er engagierte mich für eine stumme Rolle in „Ascanio in Alba“in Schönbrunn. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Bei Walter Kobera hatte ich mit „Greek“ von Mark Anthony Turnage im Odeon großen Erfolg. Dann ging‘s weiter nach Bregenz: die Hölderlin-Oper „Nacht“ von Georg Friedrich Haas war ein großer Erfolg, eine Folge war aber auch mein erster Don Giovanni  in der Regie von Tobias Moretti im im Kornmarkt-Theater.

D: Und dann setzte doch die internationale Karriere ein?

N: In der Tat: es meldeten sich Genf, und die Styriarte (mit Hanoncourt!), dann kam Lyon, mein Scala-Debüt als Wozzeck war 2008 ein solcher „Meilenstein“, zwei Jahre zuvor war es die Faust-Oper von Pascal Dusapin  in Berlin, 2011 engagierten mich die Wiener Festwochen für Wozzeck, in Brüssel war ich zuletzt die Hexe in „Hänsel und Gretel“. Und in Stuttgart ist „Il Prigionero“ von  Luigi Dallapiccola (Regie AndreaBreth) geplant, in Hamburg ein neuer Wozzeck unter Kent Nagano. Mein Terminkaleder ist jedenfalls voll bis 2020…

D: Wie schaut ihr Opernrepertoire – im herkömmlichen Sinn – aus. Was singen sie, wenn sie von den Uraufführungen und den Liederabenden absehen?

N: Am häufigsten ist es doch der Wozzeck, den ich in München, Wien, Mailand, Moskau, Tokio und Berlin dargestellt habe. Dazu kommt der Papageno, die Hexe, Don Alfonso. Demnächst ist der „Tod in Venedig“ von Benjamin Britten in Stuttgart geplant. Aber sie haben schon recht: ich bin vor allem als Interpret des Unbekannten gefragt. In Zürich werde ich demnächst eine Orest-Oper von Alexander Trojahn interpretieren, in Berlin unter Petrenko „The wound dresser von John Addams (UA 1989). Dazu kommen die vielen Liederabende, die in den großen Konzertsälen der Welt wie der Wigmore Hall in London angesetzt sind. Ich bin damit sehr zufrieder.

D: Gibt es dennoch unerfüllte Opern-Träume?

N: Aber klar. Meine Traumrollen sind Beckmesser, Eisenstein oder Danilo

D: Verraten Sie uns zuletzt noch etwas über ihr Privatleben?

N: Ich wohne in Wien und abwechselnd in Stuttgart, wo ich an der Hochschule unterrichte; ich lese gerne anspruchsvolle Bücher wie die „Kulturgeschichte der Neuzeit“ von  Egon Friedell. Und mein ganzes Leben außerhalb der Musik dreht sich um meine Familie und meinen 5einhalb jährigen Sohn Viktor, der  morgen zum ersten Mal in die Oper gehen darf.

D: Eine letzte Frage: haben Sie je Erich Kunz live erlebt?

N: Ja in der Tat. Er war mein Mesner in einer Tosca mit Pavarotti und ich habe mit ihm als Ministrant und Sängerknabe Ringelreih getanzt. Erst viel später habe ich begriffen, welcher Gigant der Bühne mir da begegnet ist. Er war wohl der ideale „Vogelmensch“ in der „Zauberflöte“, die er allein in Wien an die 250 Mal verkörpert hat.

D: Dann Toi, toi, toi für den ersten Wiener Papageno!

 

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