Tristan und Isolde am Grand Théâtre de Genève vom 22.09.2024
Tristan Gwyn Hughers Jones, Isolde Elisabet Strid, Brangäne Kristina Stanek. Foto: Carole Parodi
Der deutsche Regisseur Michael Thalheimer, von dem sich einige seiner Inszenierungen seit vielen Jahren auf Spielplänen internationaler Opernhäuser finden und letztes Jahr in Genf den Parsifal inszeniert hat, hat sich nun an der Rhône Stadt dem «Tristan und Isolde» gestellt und eine Neuinszenierung für dieses Haus geschaffen, die als Koproduktion auch an der Deutsche Oper Berlin gezeigt werden wird.
Das Bühnenbild wird von Henrik Ahr beigesteuert und ganz besonders wichtig in dieser Aufführung, die Beleuchtung durch Stefan Bolliger. Das karge, wenig existierende Bühnenbild, besteht aus einer einfachen Hebebühne, welche die minimalistische Ausstattung dieser Aufführung untermauert. Dafür spielt die Beleuchtung eine zentrale Rolle. Die gesamte Bühnenwand ist ein Lichtermeer mit vielen aneinandergereihten Lampen die manchmal mehr und manchmal weniger aufleuchten, je nach Dramatik gibt es mehr oder weniger Licht. Licht das den Zuschauer auf Dauer blendet oder die Aufführung mit der Zeit eintönig erscheinen lässt. Nach etwa drei Stunden Aufführung hat man doch den Eindruck, das mit dem Licht gesehen und verstanden zu haben und es dürfte ein weiterer Regieeinfall kommen, was aber leider nie stattfindet.
Personenregie wie Personenführung geraten Thalheimer eher enttäuschend. Sämtliche Charaktere sind beinahe führungslos auf sich selber gestellt, agieren einzeln, präsentieren sich im Rampensingen oder überzeichnen den Charakter vollends.
Dass in Genf musikalisch vom Allerfeinsten zu erleben ist, lag am hervorragenden, fließend flüssigen, feinen wie schwerelosen daherkommenden Dirigat von Marc Albrecht der die komplexe Musik in mild leuchtenden Klängen erstrahlen ließ. Das Orchestre de la Suisse Romande ist für die Wagnermusik wie geschaffen. Das große Orchester kann dem Maestro hervorragend folgen, gestaltet und nuanciert die feinen Töne, wie die großen Bögen, hervorragend und ist von der ersten Minute bis zur letzten Note ein glanzvoller Begleiter der Solisten, wie auch des Choeur du Grand Théâtre du Genève.
Gwyn Hughes Jones als Tristan hat eine große Bühnenpräsenz, singt aber mit etwas zu viel Forte und bei den leisen stellen fehlen Farben und Geschmeidigkeit. Und letztendlich reichen die Kräfte doch nicht ganz, denn am Schluss klingt die Stimme heiser und brüchig.
An Hughes Jones Seite singt Elisabet Strid eine gekonnte Isolde. Sie kann ihre Kräfte für die drei Akte des Werks gut einteilen, sodass sie bis zum Schluss gut durchhalten kann. Von Anfang bis Ende singt sie voll aus, meistens fein melodisch, aber auch kraftvoll, wo nötig. Bei Isoldes Fluch im ersten Akt etwa übertönt Strid alles und jeden, und in den höchsten Lagen, bei der grossen Lautstärke, klingt ihre Stimme doch ein bisschen schrill.
Tareq Nazmi als König Marke beeindruckend durch seine Hörbarkeit und seine gute Textverständlichkeit. Er verfügt über nahezu perfekte Phrasierung und Diktion. Und auch inhaltlich überzeugt Nazmi. Sein Marke ist gleichzeitig autoritär und hochemotional, gebieterisch und zutiefst menschlich. Die langen Monologe Markes gestaltet er auf intelligente Weise höchst abwechslungsreich.
Besonders hervorzuheben sind Audun Iversen als ein Kurwenal wie er im Buche steht, mit kernigem, dunklen Bariton, und Kristina Stanek, die Entdeckung des Abends und Rollendebütantin, eine auf ganzer Linie überzeugende Brangäne. Sie begeistert mit angenehmem Vibrato, einem schönen dunklen Unterton und einer trotz der Kurzfristigkeit ihres Auftritts mit einer souveränen und durchdachten Darstellungsweise.
Einen markanten Auftritt als „falscher“ Freund Tristans hat Julien Henric als Melot im zweiten und kurz im dritten Akt. Die Partien des jungen Seemann im ersten und des Hirten im dritten Akt übernimmt Emanuel Tomljenovic. Beide Partien klingen bei ihm lyrisch, reif und dunkel. Vladimir Kazakov als Steuermann rundet das Ensemble mit schönem, dunklen Bass ab.
Die Aufführung wird vom Genfer Publikum wohlwollend und mit einigen Ovationen sehr freundlich verdankt. Musikalisch ein guter Abend, szenisch und darstellerisch eher karg.
Marcel Burkhardt