Katja Kabanova, Opera de Genève vom 28.10.2022
Corrine Winters. Foto: Carole Parodi
Meisterhaft in der Reduktion, präzise in der Personenregie. Tatjana Gürbaca inszeniert die Oper „Katja Kabanowa“ von Leoš Janáček am Grand Théâtre de Genève in einer Koproduktion mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg.
Die Bedeutung des Opernkomponisten Leos Janacek ist ausserhalb seiner Heimat erst allmählich erkannt worden. Während sich in Prag und natürlich in Brünn, der Heimatstadt Janaceks, längst so etwas wie eine spezifische Werkkultur gebildet hatte, die auch die vordergründig weniger wirksamen Bühnenwerke Janaceks miteinschloss, haben sich die internationalen Opernhäuser mit dem grossartig vielfältigen Werk des mährischen Komponisten seltsam lange Zeit gelassen. Immerhin hat die Oper Genf in seiner vorbildlichen Funktion viel für Janacek getan. In der letzten Spielzeit war Jenufa zu erleben und jetzt Katja Kabanowa.
Tatjana Gürbaca arbeitet sehr genau, sie konzentriert sich auf eine detaillierte Personenregie. Sie setzt den Menschen in den Mittelpunkt, also auch die ambivalenten Normen und Formen der Frauen- wie Männerrollen und deren Beziehungen untereinander. Dies gelang vor allem auch wegen dem hervorragenden Sängerensemble.
Foto: Carole Parodi
Corinne Winters die bereits eine triumphale Jenufa gesungen hatte glänzt in der Titelpartie. Ihre sehr lyrische Stimme passt hervorragend zur Interpretin. Die junge kroatische Mezzo-Sopranistin Ena Pongrac, Mitglied des Jungen Ensembles der Genfer Oper, liefert eine gelungene Darbietung mit einer schönen und klaren Stimme ab. Ihr Geliebter Vana, gespielt von dem jungen englischen Tenor Sam Furness, ist auf dem gleichen hohen Niveau, seine Stimme ist klar und voller Nuancen. Der tschechische Tenor Ales Briscein porträtiert Boris, mit dem nötigen Lyrismus und diesem so notwendigen slawischen Timbre. Onkels Tichoi wird von dem isländischen Bass Tomas Tomasson mit Kraft und Elan interpretiert. Die russische Mezzo-Sopranistin Elena Zhidkova verleiht dem Charakter von Kabanicha eine düstere und morbide Figur. Der dänische Tenor Magnus Vigilius nutzt das Trostlose und Ausweglose seiner Gestalt für eine aussergewöhnliche starke Interpretation der Figur des Tichon. Der solide russische Bariton Vladimir Kazakov verschafft dem Charakter des Kuligin, der auf der Flucht ist, eine gewisse Erleichterung. Die ukrainische Mezzo-Sopranistin Natalia Ruda, und die südkoreanische Mezzo-Sopranistin MI-Young Kim, beide besetzen eine kleine Rolle: Fekluscha und Glascha.
Das Orchestre de la Suisse Romande wurde voller leidenschaft geleitet von Tomas Netopil. Es hat in der Komposition von Janacek so viele Facetten und Farben, die voll zur Wirkung kommen. Die russische Seele, die auf der Bühne so stark und beklemmend ist, kommt im Orchestergraben voll zum Ausdruck.
Die Produktion gastiert am 13. November mit der Genfer Besetzung und dem Orchestre de la Suisse Romande auch beim wichtigsten Festival, das dem Komponisten gewidmet ist, dem Janáček-Festival in seiner Geburtsstadt Brünn.
Ein ganz grosser Abend für Janáček und für die Oper Genf. Eine Sternstunde. Das Publikum war ausser sich vor Begeisterung.
Marcel Burkhardt