Genf: La Pucelle d’Orleans (Orleanskaya Deva), Oper in 4 Akten, Piotr Ilytch Tchaikovski(12.4.2017)
Ksenia Dudnikova. Copyright: Magali Dougados
Die Jungfrau von Orleans wurde im Konzerthaus „Victoria Hall“ gegeben in Zusammenarbeit mit der Genfer Oper in konzertanter Fassung. Das Oper die 1881 in St. Petersburg uraufgeführt wurde ist ein monumentales Chorwerk und bedeutet für die Hauptdarsteller eine grosse stimmliche Herausforderung. Das Werk ist im Gegensatz zu Eugen Onegin oder Pique Dame eher unbekannt. Der Komponist komponierte die Version von Friedrich Schiller und hielt sich nicht an den Roman von Puschkin, die ihm zu wenig pompös erschien und zu wenig romantisch. Er wollte etwas Grösseres und Epischeres. Eine russische Antwort auf die französische Grand Opéra wie die Hugenotten von Meyerbeer oder I vesperi siciliani von Verdi. Das Werk beinhaltet die geforderten Elemente einer Grand Opéra wie, Ouvertüre, Choreinlagen, Rezitative, Ensembleleistungen, grosses Finale, Balletteinlagen und Marschmusik zum Scheiterhaufen. Für Tchaikovski üblich hat er eine französische Arie übernommen die aber diesmal nicht auf Französisch, sondern auf Russisch gesungen wird „Ou êtes-vous allées mes belles amourettes?“ im zweiten Akt, eine ähnlich familiäre Melodie wie aus Bedrich Smetanas Moldau und wie die Nationalhymne des Staates Israel. Eine Orgel begleitet die Krönung in der Kathedrale von Reims im dritten Akt.
Die Sopranistin Mariya Kamenskaya hatte an der Uraufführung in Sankt Petersburg grosse Mühe die hohen Tessituren zu singen und so wurde das opulente Werk relativ schnell vom Repertoire genommen. Ebenfalls die überarbeitete Fassung für Mezzo-Sopran fand keinen grossen Anklang beim Publikum und wurde demzufolge nicht mehr sehr oft aufgeführt.
Die grosse Entdeckung des Abends war Ksenia Dudnikova die eine fulminante Hauptdarstellerin dargeboten hatte. Die Figur die sie verkörperte, ist die französische Nationalheldin schlechthin, die Jungfrau von Orleans. Ihre grosse, schöne Stimme ist perfekt, trägt mühelos über das Orchester und den Chor hinweg. Sie überzeugte durch eine grosse Präsenz, einer getragenen, lyrischen und makellosen Stimme. In Zürich wird sie in der nächsten Spielzeit die Olga in Eugen Onegin besetzten.
Der Tenor Migran Agadzhanyan verkörperte König Charles VII mit viel Verve und die begabte Sopranistin Mary Feminear seine Maitresse, Agnes Sorel. Die weiteren sehr gut besetzen Rollen wurden gesungen von Roman Burdenko als Dunois, Boris Pinkhasovich als Lionel, ein toller und imposanter Alexey Tikhomirov als Erzbischof und Thibaut, Boris Stepanov als Raymond und Alexander Milev als Bertrand.
Das Orchestre de la Suisse Romande wurde vom Maestro Dmitri Jurowski begleitet. Er stammt aus einer sehr bekannten Musikerfamilie. Sein Vater Mikhail und sein Bruder Vladimir sind ebenfalls Dirigenten renommierter Orchester. Er spitzte gern zu mit pointierten Attacken und subtilen Kantilenen. Er differenzierte mit Verzierungen, mit Tonfällen, mit der klanglichen Unterscheidung von Ballettmusik, Rezitativen und Choreinlagen. Ihm gelang der Spagat zwischen all den Verzierungen der Musik und dem komplexen musikalischen Inhalt umwerfend und eine höchst präzise Charakterisierung des Personals.
Der Chor wurde ebenfalls sehr gut vorbereit durch Alan Woodbridge.
Im ersten Akt hat es eine populäre Arie der Jeanne „Adieu forêts“ welche voller Emotionen, Ehrlichkeit und expressiver Musikalität ist, ähnlich der Briefszene der Tatjana in Eugen Onegin. Das Werk leidet an einer unausgeglichenen Dramatik. Die immensen Chorszenen werden abrupt von Arien und Duetten, die voller intensiver Sentimentalität sind unterbrochen und so kann sich das Ganze nicht so wirklich gut entfalten. Desto trotz ist es ein tolles Werk, dass zu entdecken war und in konzertanter Version wunderbar zu hören ist.
Marcel Paolino