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GENF/ Grand Théâtre de Genève: SALOME

03.02.2025 | Oper international

Salome am Grand Théâtre de Genève, Aufführung vom 02.02.2025, Letzte Vorstellung

Salome - Genfer Theater (2025) (Produktion - Genève, schweiz) | Opera  Online - Die Website für Opernliebhaber

Salome von Richard Strauss ist eine der markantesten und provokantesten Opern des 20. Jahrhunderts. Strauss nutzt eine sehr moderne Orchestrierung, die zu seiner Zeit als revolutionär galt. Die Musik ist extrem ausdrucksstark und spiegelt die intensiven Emotionen der Charaktere wider. Besonders auffällig sind die dichten Klangfarben, die die Psychologie der Figuren vertiefen, sowie die oft atonalen und dissonanten Elemente, die die aufgeladene Atmosphäre verstärken.

Die Charaktere, insbesondere die Titelheldin, sind äusserst komplex. Salome wird nicht nur als eine Frau dargestellt, die von Leidenschaft und Verlangen getrieben wird, sondern auch als jemand, der von einem inneren Konflikt zwischen Lust und Tod getrieben wird. Ihre Obsession mit Jochanaan (Johannes dem Täufer) und ihr Wunsch nach Macht und Kontrolle sind zentrale Themen, die in der Musik perfekt zur Geltung kommen.

Der „Tanz der sieben Schleier“ ist eines der bekanntesten und am meisten diskutierten Elemente der Oper. Es ist nicht nur ein Tanz, sondern ein Moment voller Erotik, Manipulation und symbolischer Bedeutung. Die Musik, die während dieses Tanzes gespielt wird, ist aussergewöhnlich kraftvoll und steigert die Dramatik auf eine fast hypnotische Weise. Leider wurde diese Dimension in dieser Interpretation verpasst, eine verschenkte Gelegenheit. Anstelle von einem erotischen Tanz wird Salome als trinkende und Kokain konsumierende Person dargestellt die ihren Körper als Sexsymbol wahrnimmt. Eine entzauberte Version des Schleiertanzes.

Jede Szene ist ein intensiver Moment der emotionalen Explosion. Die Oper konzentriert sich auf die Entfaltung von Salomes Leidenschaft und die daraus resultierenden Katastrophen. Besonders die letzten Minuten, in denen Salome mit dem Kopf von Jochanaan konfrontiert wird, sind packend und beinahe surreal. Der Kopf wird überdimensional gross dargestellt und beeindruckt deshalb. Man bekommt ein beklemmendes Gefühl, wenn man den Kopf in dieser Grösse vor sich hat und die Tänzerinnen aus Augen und Mund hervorkriechen.

Die Inszenierung am Grand Théâtre de Genève durch den ungarischen Regisseur Kornél Mundruczó verlegt die Handlung in eine luxuriöse Penthouse in New York City. Diese moderne Interpretation betont die Dekadenz und den moralischen Verfall der Figuren, indem sie die biblische Geschichte in einen zeitgenössischen Kontext setzt. Mundruczó nutzt dabei Elemente des filmischen Realismus und des Surrealismus, um die inneren Konflikte und psychologischen Tiefen der Charaktere hervorzuheben. Die Bühne und Kostüme, gestaltet von Monika Pormale, sowie die Lichtgestaltung von Felice Ross, tragen zur Schaffung einer Atmosphäre bei, die sowohl die Opulenz als auch die Abgründe der dargestellten Welt einfängt. Die musikalische Leitung liegt in den Händen des finnischen Dirigenten Jukka-Pekka Saraste, der mit dem Orchestre de la Suisse Romande die expressive und farbenreiche Partitur von Strauss zum Leben erweckt. In der Titelrolle überzeugt die russische Sopranistin Olesya Golovneva mit einer Mischung aus stimmlicher Kraft und zerbrechlicher Anmut. Gábor Bretz verkörpert Jochanaan, eine Rolle, die er bereits 2018 in Salzburg mit grossem Erfolg interpretierte. John Daszak als Herodes und Tanja Ariane Baumgartner als Herodias komplettieren das hochkarätige Ensemble.

Die Inszenierung ist lobenswert. Besonders hervorgehoben sind die Aktualität der Thematik und die gelungene Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Die Darstellung der Salome als komplexe Figur, die zwischen kindlicher Unschuld und bewusster Verführung schwankt, ist besonders gelungen. Insgesamt bietet Mundruczós „Salome“ eine provokative und tiefgründige Neuinterpretation des klassischen Stoffes, die sowohl visuell als auch musikalisch beeindruckt.

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Olesya Golovneva als Salome mit Statisten. Foto: Magali Dougados

Olesya Golovneva debütierte in der Titelrolle. Ihre Interpretation ist sehr lobenswert, insbesondere für den Einsatz ihres schlanken, beweglichen Soprans, der in den höheren Lagen berührend zur Geltung kommt. Ihre Vielseitigkeit und stimmliche Ausdruckskraft machen sie zu einer überzeugenden Wahl für die komplexe Rolle der Salome. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Olesya Golovneva eine beeindruckende Interpretation der Salome bietet, die sowohl stimmlich als auch darstellerisch überzeugt.

Gábor Bretz hat die Rolle des Jochanaan bei den Salzburger Festspielen verkörpert und dabei das Publikum mehr als nur überzeugt. Seine Darstellung in Genf ist grandios und er überzeugt durch eine wunderbare dunkle Stimme und grosser Bühnenpräsenz.

John Daszak hat die Rolle des Herodes mehrfach verkörpert bereits auch an den Salzburger Festspielen, wo er als getriebener Anzugträger mit glattem dunklem Haar und ölig-ängstlicher Ausstrahlung überzeugte. Seine helle Tenorstimme erhebt sich in Genf deutlich über das Orchester und verleiht der Figur eine besondere Präsenz. Seine Fähigkeit, die komplexe Persönlichkeit des Herodes sowohl stimmlich als auch schauspielerisch darzustellen, macht ihn zu einem herausragenden Interpreten dieser Rolle.

Tanja Ariane Baumgartner ist eine herausragende Mezzosopranistin, und ihre Darstellung der Herodias ist intensiv, facettenreich und vokal beeindruckend. Sie bringt die komplexe Mischung aus Macht, Frustration und Manipulation dieser Figur perfekt auf die Bühne. Ihre dunkle, warme Stimme verleiht Herodias eine besondere Tiefe, die sie nicht nur als kaltherzige Gegenspielerin, sondern auch als vielschichtige, in sich zerrissene Frau erscheinen lässt.

Das hervorragende Ensemble wird glänzend unterstützt von Narraboth Matthew Newlin, Le page d’Herodias Ena Pongrac, Premier soldat Mark Kurmanbayev, Deuxième soldat Nicolai Elsberg, Premier Juif Michael J. Scott, Deuxième Juif Alexander Kravets, Troisième Juif Vincent Ordonneau, Quatrième Juif Emanuel Tomljenović, Cinquième Juif Mark Kurmanbayev, Premier Nazaréen Nicolai Elsberg, Deuxième Nazaréen Rémi Gari nun Un cappadocien Peter Baekeun Cho.

Jukka-Pekka Saraste ist ein erfahrener Dirigent, bekannt für seine Vielseitigkeit und seine Fähigkeit, sowohl das klassische als auch das moderne Repertoire meisterhaft zu interpretieren. Obwohl er vor allem für sein Engagement im Bereich der Orchestermusik und insbesondere der sinfonischen Werke bekannt ist, hat er auch Erfahrung im Dirigieren von Opern. Saraste bringt die expressive und farbenreiche Partitur von Richard Strauss mit viel Präzision und Emotionalität zur Geltung. Für eine Oper wie Salome die eine aussergewöhnliche Komplexität sowohl in der Orchestermusik als auch in der dramatischen Intensität verlangt, ist Saraste gut geeignet. Er versteht es, emotionale Tiefe und dramatische Spannung zu vermitteln, was für eine solch intensive Oper sehr wichtig ist. Seine Führung des Orchesters konnte den schwierigen, oft dissonanten und sehr expressiven Musikpassagen von Strauss gerecht werden. Allerdings ist Salome ein Stück, das nicht nur technisches Können verlangt, sondern auch ein starkes Verständnis für die psychologische und emotionale Entwicklung der Charaktere. Kurz gesagt, Saraste ist ein sehr guter Dirigent für Salome, insbesondere ist er in der Lage, die komplexe Wechselwirkung zwischen Orchester und Gesangspartien zu meistern.

Marcel Emil Burkhardt

 

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