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GENÈVE/ Grand Théâtre: FALSTAFF. Premiere

19.06.2016 | Oper

Premiere FALSTAFF am Grand Théâtre de Genève vom 18. Juni 2016

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Fenton (hinter dem Baum), Falstaff, Meg Page, Quickly und Alice. Copyright: Carole Parodi

Das Bühnenbild und die Kostüme sind grau und die Gesichter sind weisslich fahl. Die Musik ist farbenprächtig und die Stimmen sind grossartig. Auf dem Platz der Nationen, dort wo das hölzerne Provisorium steht, werden monochrome Szenen beschworen die sich symbiotisch dem Gebäude und dem Rahmen der Handlung einfügen sollen. Das zentrale Bild auf der Drehbühne, der bewegliche graue Eichenbaum, integriert sich in die Handlung und in das Bühnenbild, so zumindest erklärt es uns der Bühnenbildner Alexander Polzin im Programmheft. Aschfarbene Menschen illustrieren die witzige Geschichte welche von den unterschiedlichen Figuren mit jeweils uneinheitlichen Kostümen aus den unterschiedlichsten Epochen gelungen erzählt wird.

Inszenierungen sind wie immer Geschmackssache und sprechen nicht jedes Publikum gleich an. Leider kommt es zu oft vor, dass eine Interpretation eines Regisseurs den persönlichen, oftmals psychologisch motivierten Vorstellungen entsprechen und dem Kern der Geschichte etwas allzu gerne entrücken. Lukas Hemleb entzaubert die Aufführung und reduziert sie zu Kargheit und Farblosigkeit. Falstaff macht sich nicht schön für den Besuch der Damen (entgegen dem was im Libretto steht), sondern er nimmt den Hut und geht. Hier vergibt die Regie viel an Goodwill, entnimmt den Figuren die Leichtigkeit und farbenfrohe Attitüde.

Die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer sind gefällig und die Idee, Roben aus diversen Zeitepochen zusammenzustellen eine durchaus experimentelle Betrachtungsweise. Nanetta im luftleichten Marilyn Monroe Jupe, die Quickliy in der Kavallerierobe zu Kaiserin- und Königinzeiten der Sissys, Alice Ford in einem knappen Kleid der goldenen 20iger Jahre und die Herren in Anzügen der wilden 20iger Jahre.

Grösste Präsenz zeigt Franco Vassallo als Sir John Falstaff. Er singt wunderbar Verdi-gerecht die Titelpartie und höchst differenziert. Er kann den aufbrausenden Helden geben, den niedergeschlagenen Kerl, den Durchtriebenen und doch Charmanten, den Hilflosen, weil seine Stimme flexibel die Töne formt.

Konstantin Shushakov als Ford/Fontana gefällt sehr im Eifersuchtsmonolog; darstellerisch exzellent und stimmschön. Er zeichnet ein scharfes Porträt des zu Wohlstand gelangten Kleinbürgers, der Unsicherheit und Angst hinter lächerlicher Aggression tarnt.

Der aus Kasachstan stammend Medet Chotabaev stellt einen sensiblen und verträumten Fenton dar der mit schönem Tenor auftrumpfen kann. Doktor Cajus vom bekannten Raul Giménez dargestellt, ist eine gelungene Witzfigur der leider mit viel zu lauter Stimme singt.

Viel Bühnenpräsenz bringt Maija Kovalevska als Alice Ford mit ihrem wunderbar aufblühenden Sopran mit. Anne-Marie Todorovitch führt die Intrige der Damen mit einer phantastisch virtuos gesungenen Mrs. Quickly an, begeistert mit tief orgelnden Klängen und einer differenziert vorgetragenen Erzählung über den Jäger Herne, welche dann von Alice meisterhaft fortgesetzt wird. Amelia Scicolone singt eine zauberhafte Nannetta mit glockenreinen, himmlisch leicht schwebenden Piani und Ahlima Mhamdi eine ganz hervorragende Meg Page.Die beiden Gauner Bardolfo Erlend Tvinnereim und Pistola Alexander Milev ergänzen das vollständig hervorragende Ensemble gänzlich gut.

John Fiore versteht sein Handwerk und ist ein feinfühliger musikalischer Leiter welcher das Orchestre de la Suisse Romande klangschön führt, die feinsten Nuancen der Musik wundervoll hervorhebt und die Solisten bestens begleitet. Er bringt die blitzschnell wechselnden Tonfälle dieses Stücks, ihre knappen, manchmal nur angedeuteten Gesten akribisch genau zum Ausdruck.

Der Chor des Grand Théâtre de Genève unter der profunden Führung von Alan Woodbridge wurde glänzend vorbereitet.

Marcel Paolino

 

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